Zeitschrift für Praktische Philosophie
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp
<p><span style="font-weight: 400;">Die ZfPP ist folgenden Grundsätzen verpflichtet:</span></p> <ol> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/ausrichtung"><span style="font-weight: 400;">Abdeckung der praktischen Philosophie in ihrer gesamten Breite ohne Eingrenzung auf bestimmte Schulen, Themen oder Methoden</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/open-access"><span style="font-weight: 400;">Open Access</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/begutachtung"><span style="font-weight: 400;">Qualitätssicherung durch Begutachtung</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/wissenschaftssprache"><span style="font-weight: 400;">Deutsch als Wissenschaftssprache</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/transparenz-inklusion-diversitaet"><span style="font-weight: 400;">Transparenz, Inklusion und Diversität</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/rolle-wissenschaftliche-gemeinschaft"><span style="font-weight: 400;">Aktive Rolle in der wissenschaftlichen Gemeinschaft</span></a></li> </ol>Universität Salzburgde-DEZeitschrift für Praktische Philosophie2409-9961Editorial
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/522
Gottfried SchweigerKaroline ReinhardtBirgit BeckMichael Zichy
Copyright (c) 2024 Gottfried Schweiger, Karoline Reinhardt, Birgit Beck, Michael Zichy
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.0Soll „Rasse“ aus dem Grundgesetz gestrichen werden?
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/444
<p>Im deutschen Rechtssystem nimmt der Rassenbegriff eine wichtige, wenn auch umstrittene Position ein. Das Bedürfnis ihn zu streichen, ist nachvollziehbar, aber nicht selbstverständlich, denn nicht alle Gründe für die Streichung sind auch gute Gründe. Ein zentrales Problem des Ausdrucks „Rasse“ ist seine Ambiguität, sowohl als Vehikel für eine naturwissenschaftlich-biologische als auch für eine sozial-konstruktivistischen Kategorisierung von Individuen herzuhalten. Eine Entscheidung für die eine oder andere Interpretation ist simpliciter, weder sinnvoll noch zielführend. Sinnvoller ist es, sich bewusst zu machen, in welcher Funktion der Rassenbegriff gebraucht wird und wie diese Funktion rechtlich einzufrieden ist. Biologisch informierte Gründe zur Streichung von „Rasse“ haben das Problem, die Existenz menschlicher Rassen zwar falsifizieren zu können, doch damit gleichzeitig den semantischen Bezug nicht mehr passend abzubilden. Erschwerend kommt hinzu, dass biologische Kriterien für das Vorliegen menschlicher Rassen deren Existenz präsupponieren und so naturalistische bzw. essentialistische Tendenzen begrifflich legitimieren, auch wenn der Begriff selbst leer ist. Stattdessen müssen vielmehr biologisch determinierte Eigenschaften als relevant angesehen werden, die soziale Einordnungen ermöglichen: Hautfarbe bzw. Körperschema. Diese scheinen den entscheidenden Faktor der Begriffsentwicklung und seines Gebrauchs auszumachen, nach dem im rechtlichen Kontext gesucht wird. Nimmt man den Begriff ernst, wie er im Commonsense gebraucht wird, werden die Mechanismen offenbart, die „Rasse“ auf der semantisch-psychologischen und sozialen Ebene eine destruktive Bedeutung zukommen lassen, die gegen den weiteren Gebrauch von „Rasse“ sprechen. Gleichzeitig geht der Bezugsgegenstand nicht verloren, wie es bei der biologischen Interpretation der Fall ist. Dies macht es möglich, unabhängig von rassistischer Essentialisierung, das Merkmal hervorzuheben, das oberflächlich genug ist, um nicht essentialisierend sein zu können – die Oberfläche selbst.</p>Niklas Eickhoff
Copyright (c) 2024 Niklas Eickhoff
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.1Die politische Natur menschlichen Lebens
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/387
<p>Die These dieses Aufsatzes besteht darin, dass menschliches Leben als genuin politisch begriffen werden sollte. Dieser Gedanke wird in Form einer aristotelischen Kritik am ethischen Naturalismus entwickelt. (1) Zunächst rekonstruiere ich den ethischen Naturalismus vor der Frage, was genau naturalistisch an dieser Position ist. Es wird gezeigt, dass es sich nicht um ein naturalistisches Begründungsprogramm von Normativität handelt, das Normativität in einem außerethischen Bereich begründen will. Naturalistisch ist der ethische Naturalismus, insofern die Position vertreten wird, der natürliche Vollzug menschlichen Lebens impliziere praktische Rationalität und Tugenden. (2) In einem zweiten Schritt wird mit Aristoteles argumentiert, dass die besonderen Realisierungsformen dieser praktischen Rationalität in Genese und Geltung stark lokale Aspekte aufweisen und von Aristoteles zirkulär bestimmt werden. Ich rekonstruiere dies als polis- statt lebensformrelative Normativität. (3) Der dritte Abschnitt diskutiert Implikationen dieser Umstellung vor dem Hintergrund älterer Fassungen des Neoaristotelismus, die durch die Leitbegriffe von Brauchtum und Tradition die Lokalität von Normativität explizit herausstellen. Gegen diese Theorien versuche ich abschließend vorzuschlagen, die aristotelische Zirkularität des menschlich Guten als Offenheit der menschlichen Lebensform zu begreifen, die nicht zwingenderweise durch Rekurs auf Natur oder Tradition geschlossen werden muss.</p>Markus Gante
Copyright (c) 2024 Markus Gante
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.2Würde versus Unrecht
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/448
<p>Dieser Aufsatz präsentiert die funktionalistische Theorie der Würde, die in der Tradition Arnd Pollmanns steht und eine modifizierende Weiterentwicklung vorschlägt. Die funktionalistische Theorie der Würde stellt die historisch bedingte Funktion von Würde innerhalb der wichtigen modernen (Menschen-) Rechtsdokumente in den Vordergrund: Würde markiert die Abkehr zu den Verbrechen des Nationalsozialismus. Daraus lässt sich eine Schutzfunktion ableiten: Menschen sollten „Nie Wieder!“ – so der ablehnende moralische Standpunkt – in gravierenden Notsituationen leben, wie jene in welche die Nationalsozialisten ihre Opfer brachten. Menschenrechte haben zum Ziel, Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Im Kontext historischer Lernprozesse lässt sich die funktionalistische Theorie der Würde demnach auch auf zeitgenössische Unrechtssituationen anwenden. Die Eigenschaften dieses Würdebegriffs werden dabei ebenfalls aus der Funktion abgeleitet. Grundlage der funktionalistischen Theorie der Würde sind die Zeugnisse von Menschen in gravierenden Notsituationen und nicht primär die Einstellungen und Handlungen von möglichen Täter*innen.</p>Bastian Klug
Copyright (c) 2024 Bastian Klug
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.3Gelingender Alltag und seine Voraussetzungen
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/501
<p>Der weitaus größte Teil des menschlichen Lebens besteht aus Alltäglichem, aus eingespielten Abläufen und praktischen Routinen in wohlvertrauten Kontexten und Umwelten. Umso überraschender ist es, dass die Frage nach den spezifischen Strukturen und Gelingensbedingungen alltäglichen Lebens in den breiten Debatten um Theorien des guten Lebens kaum eine Rolle spielt. Der vorliegende Aufsatz enthält einen Vorschlag zur Konzeptualisierung gelingenden Alltags und seiner Voraussetzungen. Dazu führe ich zunächst eine politische Theorie des Guten ein, den capability approach in der von Martha Nussbaum entwickelten Fassung (Abschnitt 1), und argumentiere anschließend für die These, dass Alltag als routinierter Lebensvollzug in der je eigenen Lebenswelt verstanden werden sollte (Abschnitt 2). Auf Grundlage dieser Überlegungen kann die Leitfrage beantwortet werden: Wie gelingt Alltag (Abschnitt 3)? Dabei gehe ich davon aus, dass das Gelingen individuellen Alltags maßgeblich von gesellschaftlichen Voraussetzungen abhängt, die sich im Rahmen einer politischen Theorie des Guten analysieren und kritisieren lassen.</p>Johannes Müller-Salo
Copyright (c) 2024 Johannes Müller-Salo
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.4‘Divers’ divers denken
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/434
<p>Was kann die ‚dritte‘ Geschlechtsoption jenseits von ‚weiblich‘ und ‚männlich‘ bedeuten? Auf der Grundlage der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts von 2017, welche die explizite Anerkennung einer dritten Geschlechtskategorie ‚divers‘ forderte, diskutiert dieser Beitrag die soziale Funktion von nichtbinären Geschlechtskategorien. Es argumentiert, dass die dritte Option nicht nur ein negativer Begriff ist, der beide traditionellen Geschlechter verneint. Sie muss auch als positive Kategorie (oder als Familie von Kategorien) gedacht werden, welche über eine Identifikation mit der Freiheit von traditionellen Geschlechtsidentitäten und Geschlechternormen gebildet ist. Die Kategorie ‚divers‘ kann deshalb keine einheitliche Identifikationskategorie sein. ‚Divers‘ soll vielmehr selbst als eine in sich diverse Kategorie gedacht werden – als ein offener Möglichkeitsraum. Wie weit kann aber die Diversifizierung der Geschlechtsidentität gehen? Der Beitrag argumentiert für eine kategorielle Pluralität der Geschlechtsanerkennung. Diese Position beinhaltet zwei Aussagen: (a) Die soziale, intersubjektive Geschlechteranerkennung braucht in der Tat Kategorien; eine vollständige Individualisierung von Geschlecht auch in dem Bereich ‚inter‘ ist nicht möglich und wäre auch nicht wünschbar. (b) Gesellschaften sollten es zulassen, dass die Geschlechtermatrix dynamisch erweitert wird, über nur zwei (oder nur drei) Kategorien hinaus. Die Gründe für diese Position werden in drei Schritten erklärt: (i) Die Pluralität von Geschlechtsidentitäten innerhalb des dritten Raumes ist eine soziale Tatsache, die zuerst einmal anerkannt werden muss. (ii) Pluralität innerhalb der dritten Geschlechtskategorie ist ethisch erforderlich, weil andere in sozialen Beziehungen ein Recht darauf haben, darüber anerkannt zu werden, als was sie gesehen werden wollen. Dieses Argument ergibt sich aus einer Rekonstruktion von Emmanuel Lévinas’ phänomenologische Ethik der Intersubjektivität. (iii) Aus der Dekonstruktion von Geschlechtsidentitäten in Werken von Judith Butler, Gundula Ludwig und Finn Mackay ist zu lernen, dass Geschlechtsidentitäten eine soziale Funktion haben: Sie machen Subjekte intelligibel, d. h. sie ermöglichen es anderen, sie zu ‚lesen‘. Deshalb müssen Geschlechtsidentitäten dem Leben des Individuums in Varianten auch vorgängig anerkannt sein und sie müssen eine Gemeinsamkeit für eine Mehrzahl von Menschen konstituieren.</p>Christoph Rehmann-Sutter
Copyright (c) 2024 Christoph Rehmann-Sutter
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.5Unterstützte Selbstbestimmung
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/429
<p>Zu Beginn der COVID-19-Pandemie mussten zahlreiche Frauen weltweit die Geburt ihres Kindes ohne die Unterstützung einer Vertrauensperson bewältigen. Ziel dieses Beitrages ist zu zeigen, dass die Anwesenheit solch einer Begleitperson unter der Geburt sich aus dem Recht jeder Gebärenden auf Selbstbestimmung ableiten lässt. Mit Verweis auf die internationale Forschung zur Gewalt in der Geburtshilfe wird erstens gezeigt, dass die Patientinnenautonomie sub partu bisher häufig nicht zufriedenstellend gewährleistet ist. Der Beitrag erläutert, inwiefern sich Geburt und Geburtshilfe von anderen medizinischen Gebieten unterscheiden und warum einer Begleitperson eigener Wahl eine essentielle Rolle im Geburtsprozess zukommt. Es wird dafür argumentiert, dass der prinzipielle Rechtsanspruch auf Selbstbestimmung im medizinischen Kontext infolge der häufig eingeschränkten Entscheidungsfähigkeit von Gebärenden nicht immer wahrgenommen werden kann. Der psychophysische Ausnahmezustand der Gebärenden kann ihre Autonomiefähigkeit beeinträchtigen und sie vulnerabel für Menschenrechtsverletzungen wie Gewalt, Zwang und Manipulation machen. Deshalb plädiert der Beitrag für eine beziehungsgestützte Umsetzung der Selbstbestimmung und schlägt auf Grundlage der Theorie der relationalen Autonomie ein Modell der Entscheidungsassistenz durch eine Vertrauensperson eigener Wahl vor. Die Etablierung einer assistierten Selbstbestimmung in der Geburtshilfe könnte helfen, die Kommunikation zwischen Gebärenden und Geburtshelfer*innen zu verbessern, die Geburtshelfer*innen zu entlasten, Interventionen gegen den Willen der Frau zu reduzieren und damit eine Prävention gegen Gewalterfahrungen darstellen.</p>Tatjana Tömmel
Copyright (c) 2024 Tatjana Tömmel
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.6Einleitung: Aufklärung, Willkürherrschaft und Toleranz nach Kant
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/514
<p>Am 22. April 2024 war Immanuel Kants 300. Geburtstag. Sein Werk ist bis heute zentraler Bestandteil der Philosophie überhaupt und insbesondere auch der politischen Philosophie, der Rechtsphilosophie und der Sozialphilosophie. 2024 ist zudem das 240. Jubiläum von Kants wirkmächtigem Essay „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784). Aufklärung, so schreibt Kant darin, beinhaltet die Aufdeckung und Befreiung von der Macht politischer, sozialer und religiöser „Vormünder“<a href="#_ftn1" name="_ftnref1">[1]</a>, die die aufklärerischen Subjekte in ihrem moralischen Recht auf gleiche und freie Co-Autorschaft im „Reich der Zwecke“<a href="#_ftn2" name="_ftnref2">[2]</a> einschränken. Kants Aufklärungsbegriff gehört auch heute zu einem der bedeutendsten Schlüsselbegriffe in der zeitgenössischen Philosophie, etwa in der Frage nach der dritten oder neuen Aufklärung (Hilary Putnam, Michael Hampe, Corine Pelluchon). Dass Kants Aufklärungsverständnis auch eine zentrale Rolle in der zeitgenössischen, zentral diskutierten, neorepublikanischen Debatte um Nicht-Beherrschung (Philip Pettit) spielen könnte, wird derzeit eher weniger gesehen, auch wenn Kant in dieser Debatte natürlich präsent ist (Rainer Forst, Dorothea Gädeke, Tamara Jugov, Peter Niesen, Arthur Ripstein, Laura Valentini). Der Schwerpunkt der <em>Zeitschrift für Praktische Philosophie</em> nimmt Kants Jubiläumsjahr nun zum Anlass, um Schlaglichter auf Kants kritisch konstruktives Verständnis von Aufklärung zu werfen, es kritisch zu hinterfragen und seine Relevanz für Gegenwart und Zukunft herauszuarbeiten. Die Einleitung unternimmt dies mit Hinblick auf das Verhältnis von Aufklärung, Willkürherrschaft und Toleranz.</p> <p> </p> <p> </p> <p><a href="#_ftnref1" name="_ftn1">[1]</a> WA, 8, 35.</p> <p><a href="#_ftnref2" name="_ftn2">[2]</a> G, 4, 433.</p>Sarah Bianchi
Copyright (c) 2024 Sarah Bianchi
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.7Autorität, Öffentlichkeit und der Geist der Freiheit.
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/515
<p>Dieser Essay legt den Fokus auf den Kontext von und die Beziehung zwischen Kants ersten beiden Publikationen in der <em>Berlinischen Monatsschrift</em>: „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ und „Beantwortung der Frage: Was heißt Aufklärung?“. Seine Absicht ist nicht, einfach nur zu verstehen, was Kant in diesen Essays sagt, sondern zu rekonstruieren, was er macht, indem er die beiden Essays in dieser Zeitschrift, in dieser Reihenfolge, zu dieser Zeit veröffentlicht. Indem der Essay den geistesgeschichtlichen Kontext der Zeitschrift, in der Kant seine Essays publiziert, hinsichtlich seiner Beziehung zur Berliner Mittwochsgesellschaft und hinsichtlich des Aufklärungsverständnisses, das sie darstellt, rekonstruiert, argumentiere ich, dass eine zentrale Absicht von Kants Text darin besteht, dass er eine Kritik der ‚dogmatischen‘ Sichtweise bereitstellt und ein alternatives, „kritisches“ Verständnis anbietet. Es wird argumentiert, dass die frühere Veröffentlichung „Die Idee zu einer allgemeinen Geschichte“ eine zentrale Rolle einnimmt, um Orientierung für Kants Leserschaft auf den radikalen Blick der Aufklärung zu bieten, die er vorschlägt, und ihr ermöglicht, sich selbst als rationale, autonome Akteure zu begreifen, die in der Lage sind, das Projekt der Aufklärung fortzuführen. Der Argumentationsgang zielt darauf zu zeigen, dass Kants Essays eine Intervention darstellen, eine komplexe Arbeit der Anwaltschaft, die sich an Vormünder, die Öffentlichkeit und den Staat richtet.</p>David Owen
Copyright (c) 2024 David Owen
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.8Emanzipation und Kultur
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/483
<p>In diesem Beitrag soll die kritische Weiterentwicklung des kantischen Aufklärungsbegriffs durch Moses Mendelssohn untersucht werden. Kant fasst die Aufklärung als Emanzipation auf: Kraft seines Verstandes befreit sich der Mensch aus den selbstverschuldeten Verhältnissen der Unmündigkeit. Der jüdische Aufklärer Mendelssohn macht darauf aufmerksam, dass die Kultur als identitätsstiftendes Moment des Einzelnen, aber auch als kollektive Eigenschaft einer Gesellschaft ebenso in Rechnung zu stellen ist. Insbesondere darf die Aufklärung nicht kulturfeindlich auftreten, indem sie die Emanzipation zum Preis der Entwurzelung aus einer angeblich rückständigen Kultur durchsetzt. Wie weit aber kann dieser Kulturvorbehalt gehen? In der folgenden Untersuchung zeigt sich, dass Mendelssohns Pochen auf die Kultur in der Tat einen blinden Fleck Kants berührt und eine entscheidende Erweiterung darstellt, die gleichfalls nicht allen Einwänden standhält. Im Ergebnis korrigieren sich Kant und Mendelssohn wechselseitig. Die Erkenntnis vertieft unser Verständnis der Aufklärung in systematischer Hinsicht.</p>Marco Schendel
Copyright (c) 2024 Marco Schendel
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.9Inversion der Aufklärung
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/474
<p>Mit seinem Begriff der Aufklärung konterkariert Kant das Verständnis seiner Zeitgenossen. An die Stelle der Auffindung und Verbreitung wahrer Erkenntnisse sowie des Ausmerzens von Irrtümern und Vorurteilen setzt er den Fortschritt des selbständigen Vermögensgebrauchs der Menschen. Der Beitrag zeigt, dass Kant seinen Begriff der Unmündigkeit zwar aus dem Vorurteilsdiskurs der Aufklärung entwickelt, aber dabei eine Inversion ihrer Herrschaftsmetaphorik vornimmt. Die nur übertragen verstandene innere Herrschaft der Vorurteile der aufklärerischen Tradition kehrt Kant zur ganz tatsächlichen Herrschaftsbeziehung von Vormundschaft und Unmündigkeit um, und somit einen epistemischen Diskurs in einen sozialen. Diese Sozialphilosophie ist systematisch in Kants Anthropologie zu verorten, die sich nicht in erster Linie mit der praktischen Vernunft auseinandersetzt, sondern mit den faktischen Beziehungen von Menschen und dem Einfluss ihres Vermögensgebrauchs aufeinander. Die Unmündigkeit als ontogenetische conditio humana hält hierbei die systematische Erkenntnis bereit, dass Beherrschbarkeit ganz zentral mit der Temporalität des menschlichen Lebens zusammenhängt.</p>Daniel Stader
Copyright (c) 2024 Daniel Stader
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.10Republikanismus: Politisch, Juridisch und Ethisch
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/473
<p>In Umkehrung einer These des frühen Carl Schmitt, der zufolgedie grundlegenden politischen Begriffe ursprünglich theologische Begriffe sind, vertrittder Beitrag die profunde politische Prägung der ethischen Grundbegriffe im Allgemeinenund derjenigen der Kantischen Ethik im Besonderen. Es ist die These des Beitrags, dass die fundamentalen Konzepte von Kants moralphilosophischen Hauptschriften(<em>Grundlegung zur Metaphysik der Sitten</em>, 1785; <em>Kritik der praktischen Vernunft</em>,1788; <em>Die Metaphysik der Sitten</em>, 1797) ursprünglich rechtlich-politische Begriffe sind, die von ihm mutatis mutandis in die Sphäre der Ethik übertragen werden. Dabei werden aus den für intersubjektive Sozialverhältnisse konzipierten Grundbegriffendes Rechtlich-Politischen – allen voran Freiheit, Gesetz, Gesetzgebung, Herrschaftund Zwang – ethische Grundbegriffe für intrasubjektive Selbstverhältnisse.<br />Der Beitrag rekonstruiert den Republikanismus von Kants politischem, rechtlichem und ethischem Denken in historischer Perspektive und in systematischer Absicht. Imeinzelnen interpretiert der Beitrag Kants kritische Ethik als nach innen gewendetes Gegenstück zu dem von ihm in seinen rechtlich-politischen Druckschriften der zweitenHälfte der 1790er Jahre (<em>Zum ewigen Frieden</em>, 1795; <em>Metaphysische Anfangsgründeder Rechtslehre</em>, 1797) vertretenen Republikanismus, dessen Grundzüge bereits in der einzigen erhaltenen Nachschrift von Kants Naturrechtsvorlesung, die aus dem Jahr 1784 stammt (<em>Naturrecht Feyerabend</em>), enthalten sind. Die drei Abschnitte des Beitrags behandeln den politischen Republikanismus nach und vor Kant, den juridischen Republikanismus bei Kant und den ethischen Republikanismus bei Kant. Im Zentrum des ersten Abschnitts steht die Differenz zwischen dem historischen (römischen und neorömischen) Republikanismus und dem rezenten (abstrakten und analytischen) Republikanismus. Der zweite Abschnitt verfolgt die Verrechtlichung des ursprünglich politischen Republikanismus in der Frühmoderne im Allgemeinen und bei Kant im Besonderen. Der dritte Abschnitt ist zentriert um die republikanisch inspirierte Doppelkonzeption der ethischen Selbstgesetzgebung („Autonomie“) und der ethischen Selbstherrschaft („Autokratie“) bei Kant.</p>Günter Zöller
Copyright (c) 2024 Günter Zöller
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.11Begrenzte Öffentlichkeit
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/478
<p>Kants Konzeption der „Aufklärung“ als gemeinsamer öffentlicher Gebrauch der Vernunft wird häufig nicht nur als unhintergehbares Lehrstück der Philosophie der Aufklärung, sondern darüber hinaus als notwendiger Bestandteil freiheitlicher Gesellschaften als solcher betrachtet. Dagegen wird seltener zur Kenntnis genommen, dass in Kants Vorstellung einer „Öffentlichkeit“ diese ihre Integrität nicht allein durch die epistemischen und politischen Tugenden ihrer Teilnehmer:innen erhält, sondern letztere vor allem durch ein Gatekeeping sicherstellt. Dies führt, wie dieser Aufsatz zeigen möchte, in ein Dilemma: Auf die erwähnten Tugenden zu verzichten hieße, offen politische Unruhen in Kauf zu nehmen; sie durch Gatekeeping sicherzustellen hieße, ähnlich offen den Ausschluss von Minderheiten hinzunehmen.</p>Schotte Dietrich
Copyright (c) 2024 Schotte Dietrich
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.12Einleitung: Neue Vertrauensfragen? Digitalisierung und Künstliche Intelligenz
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/524
<p>Vertrauen ist ein wesentlicher Bestandteil menschlichen Lebens und menschlicher Interaktionen. Der vorliegende Schwerpunkt untersucht, ob Digitalisierung und Künstliche Intelligenz neue Vertrauensfragen aufwerfen, ob das Konzept des Vertrauens auf digitale Technologien angewandt werden kann und inwiefern es modifiziert werden muss, um den begrifflichen wie praktischen Herausforderungen, die mit dem Einsatz dieser Technologien verbunden sind, gerecht zu werden. Die Einleitung stellt einführend dar, wie Vertrauen bislang in der philosophischen Debatte verstanden wurde und welche neuen Fragen durch digitale Technologien aufgeworfen werden. Es wird herausgearbeitet, dass, obwohl Vertrauen schon lange ein Thema der Philosophie war, insbesondere im Bereich digitaler Technologien Unsicherheit und Verletzbarkeit neue Formen annehmen, die Implikationen für Vertrauensbeziehungen haben und die es philosophisch zu reflektieren gilt. Die Beiträge des Themenschwerpunkts befassen sich dabei gleichermaßen mit übergreifenden Fragen zu Vertrauen im Kontext digitaler Technologien, wie auch mit Fragen des Vertrauens in konkreten Anwendungsfeldern wie der Medizin und Blockchaintechnologien.</p>Karoline ReinhardtJohanna Sinn
Copyright (c) 2024 Karoline Reinhardt, Johanna Sinn
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.13Die Verlagerung von Vertrauen vom Menschen zur Maschine: Eine Erweiterung des zwischenmenschlichen Vertrauensparadigmas im Kontext Künstlicher Intelligenz
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/396
<p>Der Beitrag untersucht die Transformation des Vertrauensbegriffsdurch Künstliche Intelligenz. In aller Regel ist das Vertrauen in technische Artefakteeng mit deren Verlässlichkeit verbunden. Während diese Form der (technischen) Verlässlichkeit letztlich zumeist auf ein menschliches Gegenüber (z. B. auf die Herstellenden, die Betreibenden oder die Auditierenden) zurückgeführt wird, erfordert die zunehmende Präsenz von KI-Systemen eine Neubetrachtung dieses Zusammenhangs. Insbesondere bei selbstlernenden Systemen (wie der konnektivistischenKI), die ihre Auswahlkriterien und Selektionsmechanismen durch die Interaktionmit der Umwelt kontinuierlich verändern, zeichnet sich eine graduelle Verschiebungdes Vertrauens ab: Vertrauen wandert, so lautet die These im Anschluss an Hartmann (2022), Schritt um Schritt vom Menschen zur Maschine. Der Beitrag zielt auf eine problemorientierte Beschreibung der damit verbunden Chancen und Herausforderungen.</p>Christopher KoskaJulian PruggerSophie JörgMichael Reder
Copyright (c) 2024 Christopher Koska, Julian Prugger, Sophie Jörg, Michael Reder
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.14Caveat usor: Vertrauen und epistemische Wachsamkeit gegenüber künstlicher Intelligenz
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/392
<p>Die aktuelle Diskussion zu künstlicher Intelligenz und Vertrauen ist einerseits durch etwas geprägt, was man „Vertrauens-Enthusiasmus“ nennen könnte. Dabei wird Vertrauen als eine Einstellung konzeptualisiert, die wir gegenüber KI-Systemen prinzipiell ausbilden können und – sofern und sobald diese Systeme entsprechend ausgereift sind – auch ausbilden sollten. Auf der anderen Seite wird diese Verwendungsweise des Vertrauens-Begriffs in einem signifikanten Teil der philosophischen Literatur mit großer Skepsis betrachtet. Zwei der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Argumente lauten, erstens, dass ein Vertrauen in KI-Systeme nicht mit der für diese Systeme charakteristischen Intransparenz kompatibel sei, und zweitens, dass es auf eine Art Kategorienfehler hinauslaufe, zu sagen, man könne solchen Systemen „vertrauen“. Ich möchte in diesem Aufsatz für die Auffassung argumentieren, dass sowohl die enthusiastische als auch die skeptische Position problematisch sind. Gegen die skeptische Position wende ich ein, dass weder das Intransparenz- noch das Kategorienfehler-Argument letztlich überzeugen, und argumentiere, dass es zumindest eine natürliche Verwendungsweise des Vertrauensbegriffs gibt – Vertrauen als Haltung des Nicht-Hinterfragens –, die auch auf die Beziehung zu KI-Systemen angewandt werden kann. Andererseits wende ich gegen den Vertrauens-Enthusiasmus ein, dass dieser ein zu unkritisches Bild von Vertrauen zeichnet und dazu tendiert, dessen Risiken und Schattenseiten zu vernachlässigen. Ich setze dem enthusiastischen Bild das Prinzip <em>Caveat usor</em> entgegen und argumentiert, dass vernünftig dosiertes Vertrauen in KI-Systeme stets mit <em>epistemischer Wachsamkeit</em> einhergehen sollte.</p>Rico Hauswald
Copyright (c) 2024 Rico Hauswald
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.15Vertrauen (in Technik), Vertrauenswürdigkeit (von Technik), Vertrauensadjustierung (gegenüber Technik)
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/395
<p>Ziel dieses Beitrags ist es, die Bedeutung der zunehmend kommunikativen und damit einhergehenden kooperativen Fähigkeiten von innovativen, z.B. auf KI-Verfahren basierenden, technischen Anwendungen für die Triade aus Vertrauen (in Technologie), Vertrauenswürdigkeit (von Technologie) und Vertrauensadjustierung (gegenüber Technologie) zu diskutieren. Zudem wird die Frage aufgeworfen, inwiefern die Rolle der Vertrautheit (mit Technologie) in diesem Spannungsverhältnis einzuordnen ist. Vertrauen an sich ist ein essenzielles Moment von Beziehungs- und Interaktionsstrukturen, sowohl im zwischenmenschlichen Miteinander, als auch für die spezifischen Vorgänge der Mensch-Technik-Interaktion. Insbesondere neue Möglichkeiten in der Ausgestaltung kommunikativer Leistungsmerkmale technischer Anwendungen in der unmittelbaren Interaktion mit Nutzer:innen können dabei das auf Vertrauen gegründete, kooperative Miteinander von Mensch und Technik in gänzlich neuen Formen fördern. Anwendungen, die beispielsweise unmittelbare und auf die individuellen Fähigkeiten der Nutzer:innen eingehende Rückmeldungen zu ihren Funktionen, als auch möglichen Unsicherheiten — z.B. bei diagnostischen Empfehlungen — geben können, könnten nicht nur das grundlegende Vertrauen in die Technik an sich stärken. Als spezifische Komponenten in der Mensch-Technik-Interaktion könnte diesen zugleich zugesprochen werden, den Anspruch der Vertrauenswürdigkeit von Applikationen (und der Entwickler:innen), ebenso wie die Zuweisung dieser seitens der Nutzer:innen fördern. Daneben können sie aber auch einen, für die Interaktion mit Technik ebenso essenziellen als auch kritischen Punkt unterstützen: Das kontinuierliche Adjustieren von Vertrauensgraden seitens der Nutzer:innen den Applikationen gegenüber kann einer Gewöhnung an ein gewisses Leistungsniveau einer Applikation im alltäglichen Gebrauch und dem damit einhergehenden Verlust kritischer Distanz, gerade durch ein ungerechtfertigtes allgemeines Zuweisen von Vertrauenswürdigkeit, vorbeugen. Hervorzuheben ist daher letztlich auch die unmittelbare Bedeutung des Faktors der Vertrautheit (mit Technologie) für die triadisch Beziehung zwischen dem Vertrauen (in Technologie), der Vertrauenswürdigkeit (von Technologie) und der Vertrauensadjustierung (gegenüber Technologie).</p>Arne SonarChristian Herzog
Copyright (c) 2024 Arne Sonar, Christian Herzog
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.16Künstliche Intelligenz und Vertrauen im medizinischen Kontext
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/403
<p>KI-Anwendungen stellen bereits heute einen wichtigen Bestandteil der medizinischen Praxis dar. Ihr Einsatz verbindet sich allerdings mit einer Reihe von Problemen. In dem Aufsatz wird ein spezifisches dieser Probleme diskutiert – die Frage, wie Vertrauen im medizinischen Kontext durch den Einsatz von KI-Technologien betroffen ist. In einem ersten Schritt wird hierzu rekonstruiert, worin die philosophische Herausforderung besteht, die sich mit Vertrauen verbindet, und es wird zweitens erläutert, welche Rolle ein plausibel verstandenes Vertrauen im Verhältnis zwischen Patient:innen und Ärzt:innen spielt. In diesem Zusammenhang wird dafür plädiert, Vertrauen konsequent von bloßem Sich-Verlassen abzugrenzen und es als eine genuin personale Beziehungsform zu interpretieren, in der Personen sich auf eine spezifische Weise aufeinander beziehen. Für das Verhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen bedeutet dies, dass Patient:innen, die Vertrauen als Wert zu realisieren versuchen, nicht nur daran interessiert sind, dass Ärzt:innen sie auf eine medizinisch kompetente Weise behandeln, sondern dass sie von ihnen als individuelle Personen betrachtet werden möchten und dabei erwarten, dass sie so gut wie möglich ihre Perspektive einnehmen. Im Hauptteil des Textes wird die Frage diskutiert, ob KI-Technologien vertraut werden kann. Diese Frage ist zentral: Beantwortet man sie positiv, könnte das Ärzt:innen-Patient:innen-Verhältnis als Vertrauensbeziehung überflüssig werden; beantwortet man sie negativ, könnte dies die Vertrauensbeziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen direkt schädigen, weil wir davon ausgehen müssten, dass unsere Ärzt:innen sich einer Technologie bedienen, der man nicht vertrauen kann. In diesem Zusammenhang werden zwei wichtige Positionen diskutiert, die in der jüngsten Zeit von der These ausgehen, dass man KI-Anwendungen im medizinischen Bereich vertrauen kann – die Ansätze von Ferrario et al. (2021) und von Philip Nickel (2022). Es wird dafür argumentiert, dass diese Ansätze scheitern, weil sie unterstellen, dass Vertrauen überhaupt die richtige Kategorie im Hinblick auf eine Technologie wie KI ist. Abschließend wird angedeutet, inwiefern die Kategorie der Verlässlichkeit angemessener für unseren Umgang mit KI in der Medizin ist und uns dabei helfen könnte, Vertrauen zwischen Ärzt:innen und Patient:innen zu stärken.</p>Christian Budnik
Copyright (c) 2024 Christian Budnik
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.17Blockchain statt Vertrauen?
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/398
<p>Vertrauenslosigkeit und damit Vertrauen gelten als Kategorien, die Blockchain- und digitale Technologien über Fragen der bekannten Bitcoin- Anwendung hinaus theoretisch interessant machen. Es zeigt sich jedoch, dass es schwierig wird, wenn wir von „(Nicht-)Vertrauen in die Blockchain“ sprechen. Ist es nicht oftmals eher Verlässlichkeit als Vertrauenswürdigkeit, auf deren Basis Bitcoin- Akteur:innen handeln? Ist Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen, das wir alltäglich konkret erleben und oft intuitiv verstehen, und das sich auf Institutionen und Professionen ausweiten kann, für die starre Blockchain-Technologie relevant? Und falls ja, auf welche Weise? Oder wird die Notwendigkeit für Vertrauen – wie es sich im Bitcoin-Whitepaper auf den ersten Blick lesen lässt – mit Bitcoin überflüssig? Sollten wir von einem Technologievertrauen sprechen, das, aufgrund der Unveränderlichkeit dessen, was in der Blockchain gespeichert ist, mit dem interpersonalen Vertrauensparadigma unvereinbar ist und damit eine tiefgreifende Transformation der sozialen Realitäten implizieren würde? Der hier unternommene Versuch, Vertrauen in Abgrenzung zu Sich-verlassen-auf, beide als philosophische Konzepte, im Blockchain-Kontext zu aktualisieren, bedeutet auch, Technologien in ihrer Verwobenheit mit sozial interpretierten Realitäten (des Vertrauens) zu verstehen.</p>Ingrid Becker
Copyright (c) 2024 Ingrid Becker
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.18„Trustless trust?“ – Zum Begriff des Vertrauens im Rahmen von Blockchainanwendungen
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/399
<p>Gegen die in der Literatur zu Blockchainanwendungen verbreitete These, diese erforderten kein nutzerseitiges Vertrauen oder generierten ein neuartiges „vertrauenloses Vertrauen“, wird in diesem Beitrag zunächst gezeigt, dass auch in der Nutzung von Blockchainanwendungen Vertrauensbeziehungen eine Rolle spielen. Es wird dafür argumentiert, Vertrauen im Rahmen von Blockchainanwendungen als ‚Institutionenvertrauen‘ zu verstehen. Das klassische bilaterale interpersonale Vertrauensverständnis von Vertrauenssubjekt und Vertrauensobjekt bleibt dabei strukturell erhalten, die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit durch das Vertrauenssubjekt erfolgt in einem default-and-challenge Modell. Dabei zeigt sich bereits aus begrifflichen Gründen: Je ‚sicherer‘ das System, desto weniger bedarf es nutzerseitigen Vertrauens. Vertrauen setzt Vulnerabilität voraus. Diese ist mit Blick auf Blockchainanwendungen bei den meisten Nutzer:innen in hohem Maße vorhanden.</p>Katja StoppenbrinkEva Pöll
Copyright (c) 2024 Katja Stoppenbrink, Eva Pöll
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
2024-07-232024-07-2311110.22613/zfpp/11.1.19