https://praktische-philosophie.org/zfpp/issue/feed Zeitschrift für Praktische Philosophie 2023-09-13T10:51:20+02:00 Zeitschrift für Praktische Philosophie praktische.philosophie@plus.ac.at Open Journal Systems <p>Die Zeitschrift für Praktische Philosophie (ZfPP) ist ein vollständig kostenlos zugängliches Publikationsorgan für Arbeiten aus allen Bereichen der praktischen Philosophie, die in ihrem Themenbereich einen wertvollen Beitrag zur vorhandenen Literatur darstellen. Die ZfPP ist offen für alle Schulen, Inhalte und Arbeitsweisen, sofern diese den wissenschaftlichen Qualitätskriterien genügen. Neben historisch orientierten und systematischen Arbeiten sind auch solche möglich, die den Mainstream der Theorien und Theoriebricolagen verlassen und neue, innovative Wege einschlagen.</p> https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/314 Zur Eingrenzbarkeit des Problems der Nicht-Identität 2022-12-16T10:52:31+01:00 Alina Omerbasic-Schiliro alina.omerbasic@yahoo.de <p><span data-contrast="auto">Das Problem der Nicht-Identität ist eines der zentralen Probleme der gegenwärtigen Philosophie. Es ergibt sich, wenn versucht wird, das Wohl künftig lebender, das heißt gegenwärtig (noch) nicht existierender Individuen in den Bereich moralischer Berücksichtigung zu holen. Obwohl seine Brisanz für Fragen der Metaethik, aber auch der Zukunfts- oder Umweltethik sowie der Ethik der Reproduktionsmedizin offenkundig ist, und die Debatte darüber seit Derek Parfits Diskussion des Problems in seinem Werk </span><em><span data-contrast="auto">Reasons and Persons</span></em><span data-contrast="auto"> von 1984 bis heute nicht an Fahrt und Hitzigkeit verloren hat, gilt es noch immer als ungelöst. </span><span data-ccp-props="{&quot;201341983&quot;:0,&quot;335551550&quot;:6,&quot;335551620&quot;:6,&quot;335559739&quot;:0,&quot;335559740&quot;:240,&quot;469777462&quot;:[2088],&quot;469777927&quot;:[0],&quot;469777928&quot;:[1]}"> </span></p> <p><span data-contrast="auto">Auch dieser Artikel soll einen Beitrag zur Suche nach der Lösung des Problems der Nicht-Identität leisten, nicht aber, indem ein weiterer Lösungsvorschlag unterbreitet wird, sondern indem gezeigt wird, dass es sich in weniger Fällen ergibt als in der Literatur suggeriert wird. Es soll gezeigt werden, dass viele der in der Literatur diskutierten, vermeintlichen Nicht-Identitäts-Fälle „schon jetzt“, das heißt ohne die seit Parfits Diskussion des Problems gesuchte </span><em><span data-contrast="auto">„Theory X“</span></em><span data-contrast="auto">, welche die lang ersehnte Lösung verspricht, gefunden zu haben, lösbar sind, weil es sich bei diesen überhaupt nicht um genuine Nicht-Identitäts-Fälle handelt. Hierzu erfolgt nach einer kurzen Erläuterung des Problems zunächst eine Darstellung und Analyse einiger „klassischer“ Nicht-Identitäts-Fälle. Anschließend wird in zwei Schritten für eine neuartige Einschränkung des Problembereichs des Nicht-Identitäts-</span><em><span data-contrast="auto">Arguments</span></em><span data-contrast="auto"> – also des Arguments, das letztlich zum Problem der Nicht-Identität führt – argumentiert. </span><span data-ccp-props="{&quot;201341983&quot;:0,&quot;335551550&quot;:6,&quot;335551620&quot;:6,&quot;335559739&quot;:0,&quot;335559740&quot;:240,&quot;469777462&quot;:[2088],&quot;469777927&quot;:[0],&quot;469777928&quot;:[1]}"> </span></p> <p><span data-contrast="auto">Die Einführung dieser Einschränkung beziehungsweise Fallunterscheidung bringt für die weiterfolgende Debatte zwei methodologisch wichtige Erkenntnisse mit sich: Nicht nur kann das Problemfeld des Nicht-Identitäts-Arguments deutlich eingegrenzt werden. Auch der Anwendungsbereich des gesuchten Prinzips, welches das Problem der Nicht-Identität zu lösen vermag, fällt kleiner aus als gemeinhin angenommen wird. Dies mag zwar dort, wo sich das Problem der Nicht-Identität wirklich ergibt, nichts von seiner Brisanz nehmen. Doch hilft es, allzu häufigen Verweisen auf das Nicht-Identitäts-Argument Einhalt zu gebieten, und sich bei der Suche nach einer Lösung fortan auf genuine Problemfälle zu konzentrieren.</span><span data-ccp-props="{&quot;201341983&quot;:0,&quot;335551550&quot;:6,&quot;335551620&quot;:6,&quot;335559739&quot;:0,&quot;335559740&quot;:240,&quot;469777462&quot;:[2088],&quot;469777927&quot;:[0],&quot;469777928&quot;:[1]}"> </span></p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Alina Omerbasic-Schiliro https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/383 Zwei Begriffe der Wissenschaftsfreiheit 2022-10-24T11:44:54+02:00 Karsten Schubert karsten.schubert@politik.uni-freiburg.de <p>Wissenschaftsfreiheit wird vorherrschend als Freiheit der Wissenschaft von politischer Einmischung verstanden. Der Artikel kritisiert dieses negative Verständnis von Wissenschaftsfreiheit anhand einer Analyse seines prominentesten Vertreters, dem Netzwerk Wissenschaftsfreiheit, das damit eine Politisierung einseitig den Vertreter*innen gesellschaftskritischer Ansätze zuschreibt, während es die eigene Position als ‚rein wissenschaftlich‘ und politisch neutral dargestellt. Demgegenüber schlägt der Artikel ein kritisches Verständnis von Wissenschaftsfreiheit vor, das seine Politizität reflektiert. Ausgehend von der Analyse, dass starre Macht- und Privilegienstrukturen das zentrale Hindernis für die gemeinsame Arbeit an wissenschaftlicher Objektivität sind, geht es beim kritischen Begriff der Wissenschaftsfreiheit um die Reflexion und Transformation des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik. Dabei steht die Diversifizierung von Zugangschancen und Standpunkten innerhalb der Wissenschaft im Mittelpunkt – also die Neuverteilung von Macht und Privilegien. Der Artikel entwickelt dieses Verständnis aus einer Diskussion des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik in zwei philosophischen Begründungsmöglichkeiten der Wissenschaftsfreiheit und aus einer Rekonstruktion der kritischen politischen Theorie, insbesondere der foucaultschen Machttheorie und der feministischen Standpunkttheorie. Er zeigt auf dieser Grundlage, dass drei verschiedene Arten der Diversifizierung der Wissenschaft – intern, extern-institutionell und extern-aktivistisch –, die vom vor dem Hintergrund des negativen Begriffs als Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit verstanden werden, tatsächlich zu ihrer Verbesserung beitragen.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Karsten Schubert https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/345 Forschende in der Angriffsrolle 2022-07-13T17:20:21+02:00 Sebastian Weydner-Volkmann sebastian.weydner-volkmann@ruhr-uni-bochum.de Kaya Cassing kaya.cassing@ruhr-uni-bochum.de <p style="font-weight: 400;">Infolge der tiefgreifenden Durchdringung unserer Lebenswelt mit digitalen Systemen hat sich die gesamtgesellschaftliche Anforderung formiert, diese Systeme gegen immer neue Formen von Angriffen absichern zu können. In diesem Beitrag zeigen wir, inwiefern der IT-Sicherheitsforschung hierbei eine zentrale Rolle zukommt, aber auch, dass im Rahmen dieser Rolle eine besondere forschungsethische Problematik entsteht. Weil IT-Sicherheitsrisiken strukturell neuartige Probleme für die gesellschaftliche Gewährleistung von Sicherheit aufwerfen, treten Forschende systematisch auch in die Rolle der Angreifenden. Dabei erhöhen Forschende durch den notwendigen Schritt der Veröffentlichung gefundener Lücken die Gefährdungslage von IT-Systemen. Zugleich zielt die Entwicklung von Angriffstechniken normativ auf eine Stärkung gesamtgesellschaftlicher Sicherheit: die Sicherheitslücken sollen geschlossen und die Robustheit von IT-Systemen vergrößert werden.</p> <p style="font-weight: 400;">Hier wird ein Konflikt im Umgang mit IT-Sicherheitsrisiken deutlich, der einen Bedarf an ethischer Orientierung erzeugt. Im Beitrag zeigen wir, inwiefern sich in der Forschungspraxis auch bereits Anfänge einer systematischen ethischen Reflexion als Antwort auf diesen Bedarf herausgebildet und institutionalisiert haben. Da die Problematik im Umgang mit Sicherheitslücken aber noch nicht adäquat adressiert wird, vertreten wir die These, dass in der IT-Sicherheitsforschung der Schritt hin zu einer Bereichsethik für IT-Sicherheitsforschung erforderlich ist, um so adäquatere Orientierungsangebote für Forschende entwickeln und um die breitere gesellschaftspolitische Rolle der Sicherheitsforschung reflektieren zu können.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Sebastian Weydner-Volkmann, Kaya Cassing https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/464 Einleitung: Demokratische Bildung und die Kontroverse über Kontroversitätsgebote 2023-09-13T10:10:38+02:00 Jens Beljan jens.beljan@uni-jena.de Nils Berkemeyer nils.berkemeyer@uni-jena.de <p>Der Beitrag führt in das Author meets Critics zum Buch „Kontroverse Themen im Unterricht. Konstruktiv streiten lernen“ (Reclam 2021) von Johannes Drerup ein. Zu diesem Zweck geben wir einen kurzen Überblick über zentrale Probleme und Herausforderungen von Demokratieerziehung und demokratischer Bildung, die in der Debatte über den angemessenen Umgang mit kontroversen Themen im Unterricht verhandelt werden.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Jens Beljan, Nils Berkemeyer https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/463 Kontroversität statt Neutralität – oder: Warum Werteerziehung unabdingbar ist 2023-09-13T10:06:24+02:00 Oliver Laschet olasche1@uni-koeln.de Tim Engartner tim.engartner@uni-koeln.de <p>Eine den Gemeingeist fördernde Moral- und Werteerziehung stellt eine wesentliche Bestandsvoraussetzung freiheitlicher Gesellschaften dar. Und wo, wenn nicht in der Schule als einziger staatlich verantworteter Sozialisations- und Bildungsinstanz, sollen sich ethisch reflektiertes demokratisches Bewusstsein, von Fairness geprägte Streitkultur und hinreichend tragfähige Toleranz reproduzieren? Vor diesem Hintergrund finden sich in Schulgesetzen, Landesverfassungen und Kernlehrplänen zahlreiche Ziele der Werteerziehung, denen die Lehrenden nachkommen (sollen). Die Auseinandersetzung mit kontroversen Themen stellt dabei einen elementaren Baustein in der Erziehung zu politischer Mündigkeit und praktischer Urteilsfähigkeit dar. Während der Blick bei der Frage nach Prinzipien der Demokratieerziehung für gewöhnlich auf die politische Bildung gerichtet wird, fokussiert der vorliegende Beitrag den Philosophie- und Ethikunterricht, der – fachlich und fachdidaktisch angrenzend – in besonderer Weise geeignet ist, einen substanziellen Beitrag zur Herausbildung demokratischer Orientierung zu leisten. So etwa würdigt der sog. Dresdner Konsens von 2016 ähnlich wie der im Jahre 1976 begründete Beutelsbacher Konsens die Anlage des Unterrichtes nach dem Grundsatz der Kontroversität als besonders wirksamen Schutz gegen Indoktrination.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Oliver Laschet, Tim Engartner https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/462 Engziehungen durch Grenzziehungen 2023-09-13T10:02:43+02:00 Christian Thein thein@uni-muenster.de <p>In dem folgenden Beitrag wird Drerups Vorschlag einer Koppelung des politischen mit dem wissenschaftlichen Kriterium zur Bestimmung von Grenzziehungen zwischen kontroversem und direktivem Unterrichten kritisch diskutiert. Der Autor identifiziert zum einen aus philosophischer Perspektive eine unzureichende epistemische und semantische Analyse des dem pädagogischen Ansatz zugrundeliegenden Verständnisses von ‚Kontroversität‘, das sich gerade auch auf die von Drerup selbst gesetzten politischen und epistemischen Prinzipien beziehen müsste. Aus didaktischer Perspektive kritisiert der Autor zum anderen, dass der pädagogische Ansatz ausschließlich von oben – also entweder aus der wissenschaftlichen Beobachterperspektive oder von Seiten der Handlungsoptionen der Lehrkraft – über die Grenzziehungen mit Blick auf Themen, Fragen und Positionen auf der Gegenstandsebene des schulunterrichtlichen Diskurses befindet, statt die Lernenden als Subjekte der mit dem Thema nach den Grenzen der Kontroversität selbst aufgeworfenen Fragestellungen mitzudenken.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Christian Thein https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/461 Kontroversität in der politischen Bildung 2023-09-13T09:58:06+02:00 Theresa Bechtel bechtel@idd.uni-hannover.de Arne Schrader arne.schrader@idd.uni-hannover.de Dirk Lange lange@idd.uni-hannover.de <p>In diesem Beitrag kommentieren die Autor:innen zunächst den von Drerup entwickelten Orientierungsrahmen und folgen den basalen Schlüssen des Autoren, zeigen aber auch Leerstellen und eigene Schwerpunktsetzungen auf. Der kritische Teil des Beitrags konzentriert sich auf die Kommentierung der Leitlinien für die Unterrichtspraxis für Lehrkräfte, die von Johannes Drerup zur als Hilfestellung für Lehrkräfte als Basis für einen am Kontroversitätsgebot orientierten Unterricht entwickelt wurden. Das diesen Leitlinien inhärente Vorhaben Drerups, den zweiten Grundsatz des Beutelsbacher Konsens’ zu konkretisieren, wird aus Sicht der Autor:innen diskutiert. Sie zeigen auf, welche Grenzen gültiger Meinungen in der Rezeption des Beutelsbacher Konsens’ bereits formuliert wurden, um „radikal offene Kontroversitätspostulate” zu vermeiden. Die Autor:innen argumentieren außerdem gegen das von Drerup angelegte Bildungsverständnis der Demokratieerziehung und dem darin angelegten Rollenkonzept von Lehrer:innen als wissen(schaft)svermittelnde Akteure, die im Zentrum des Unterrichts stehen. Diese zugrundeliegende Prämisse hat aus Sicht der Autor:innen ungünstige Konsequenzen und führt zu einer verengten Perspektive auf die Lehrkraft. Die Autor:innen plädieren vielmehr für eine subjektorientierte Bildung, die die Lernenden und ihre mitgebrachten Konzepte und Vorstellungen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Rolle der Lehrkraft. So kann der Blick geweitet werden für die Potenziale, die die Demokratiebildung bereit hält.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Theresa Bechtel, Arne Schrader, Dirk Lange https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/460 Was sind die Kriterien für die Kontroversitätskriterien? Fragen an die pädagogische Stabilität der Theoriearchitektur 2023-09-13T09:52:49+02:00 Michael May m.may@uni-jena.de Ilka Hameister ilka.maria.hameister@uni-jena.de <p>Zur Bestimmung des kontroversen Raumes in öffentlichen Bildungsarrangements schlägt Johannes Drerup in Auseinandersetzung mit einem verhaltensbezogenen, politischen und epistemischen Kriterium eine Kombination aus einem politischen und einem wissenschaftsbezogenen Kriterium vor. Kontrovers und im Ausgang offen sollen nur solche Kontroversen unterrichtet werden, in denen sich die widerstreitenden Positionen sowohl an den konstitutiven politischen Grundwerten und Demokratieprinzipien liberaler Demokratien als auch am Maßstab wissenschaftlicher Begründbarkeit ausrichten. An diesen Vorschlag werden zwei Anfragen gestellt. Die erste Anfrage richtet sich auf die Theoriearchitektur und problematisiert die maßgeblich aus einer (deliberativen) demokratietheoretischen Position erfolgende Ableitung von Kriterien für ein pädagogisches Handlungsfeld. Pädagogische Kriterien wie Lernen, Aneignung, Bildung scheinen kaum eine Rolle zu spielen. Es geht hier zunächst um die Frage, welche Relationierungen von demokratietheoretischen Überlegungen einerseits und pädagogischen Bezügen andererseits die Handlungsvorschläge zur Behandlung von Kontroversen in Schule und Unterricht strukturieren können. Die zweite Anfrage betont die Unsicherheit der Wirkungsannahmen. Wenn nicht klar ist, ob eine relativ offene Gestaltung der Kontroverse oder eine relativ rigide Grenzziehung Wirkung in Richtung der Entwicklung einer demokratischen Argumentation wahrscheinlicher werden lässt oder wenn diese Wirkung stark vom jeweiligen Kontext abhängt, scheint eine grundsätzliche Präferenz für das politische und wissenschaftsbezogene Kriterium fragwürdig zu werden.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Michael May, Ilka Hameister https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/459 Antiextremistische Reichweite der Kontroversität an Schulen? 2023-09-13T09:49:26+02:00 Dominik Feldmann d.feldmann@uni-koeln.de <p>Der folgende Kommentar richtet das Augenmerk auf die Frage, wie weit Kontroversität in politischen Debatten an Schulen reichen sollte. Johannes Drerup schlägt in seiner Studie „Kontroverse Themen im Unterricht“ dazu unter anderem ein politisches Kriterium vor, um die Reichweite von Kontroversität zu bestimmen. Der Orientierungsrahmen dafür besteht nach Drerup aus liberal-demokratischen Grundwerten. Tasten Positionen diese an, sollten diese nicht Teil politischer Kontroversen an Schulen sein. Doch sind solche Werte klar zu bestimmen und eignen sie sich zur didaktischen Konkretion an Schulen? So sinnvoll beispielsweise normative Bezüge zu Menschenrechten sind, so oft werden sie im politischen Alltag in Deutschland und darüber hinaus verletzt – von unterschiedlichen Akteuren. Sollte nicht eine kritische Auseinandersetzung mit der Missachtung von Menschenrechten Gegenstand schulischer Bildungsarbeit sein anstatt damit zusammenhängende Positionen aus der Kontroverse auszuschließen? Besonders problematisch erscheint es, das Extremismuskonzept heranzuziehen, um solche Akteure zu charakterisieren, die liberal-demokratische Werte mutmaßlich verletzen. Schließlich gibt es einerseits auch in der politischen Mitte und staatlichen Apparaten demokratiegefährdende Tendenzen. Andererseits kann das Label „extremistisch“ genutzt werden, um missliebige Positionen im politischen Streit willkürlich zu schwächen. Welche Positionen aus Sicht von Schüler*innen eine Bedrohung für demokratische Gesellschaften darstellen, sollte im Rahmen politischer Bildung abgewogen werden, nicht jedoch a priori feststehen.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Dominik Feldmann https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/458 Anmerkungen zu Drerups politischem Kriterium für legitime Kontroversen im Unterricht 2023-09-13T09:45:22+02:00 Marie-Luisa Frick marie-luisa.frick@uibk.ac.at <p>Johannes Drerup schlägt für normativ-politische Kontroversen ein Kriterium vor, anhand dessen bestimmt werden soll, wann diese Kontroversen legitime Unterrichtsthemen sind und in Folge dem Kontroversitätsgebot unterliegen. Dies ist dann der Fall, wenn für kontroverse Fragen „auf Basis politischer Grundwerte und -prinzipien, die als konstitutiv gelten können für die Ermöglichung eines guten persönlichen und politischen Lebens in liberal-demokratischen Staaten, keine eindeutige Antwort abgeleitet werden kann.“ Zu diesen Grundwerten und -prinzipien zählt Drerup auch „Grund- und Menschenechte“. Mein kurzer Beitrag möchte zeigen, weshalb Drerups an sich fruchtbarer Ansatz die Komplexität des Maßstabes „Grundund Menschenrechte“ tendenziell unterschätzt und insbesondere das Verhältnis von Demokratie und Menschenrechten zu wenig als potenzielles Spannungsverhältnis ernst nimmt. Ich schlage daher weitere Differenzierungen vor, um Drerups Kriterium konzeptionell zu schärfen. Zudem rege ich an, Kontroversen, die Drerups Kriterium nicht genügen, aus didaktischen Gründen dennoch eine gewisse Anfangs-Kontroversität zuzugestehen, um die Bedeutung der betreffenden Grundprinzipien, die als „rote Linien“ fungieren, deutlicher herausarbeiten zu können.</p> 2023-09-14T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Marie-Luisa Frick https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/457 Was heißt es, konstruktiv zu streiten 2023-09-13T09:41:33+02:00 David Lanius dlanius@uni-mainz.de <p>Drerup (2021) argumentiert dafür, dass Kontroversen im Unterricht eingesetzt werden sollten, um demokratische Grundbildung zu fördern. Als Bildungsziel ist die Förderung demokratischer Grundbildung in seiner Allgemeinheit sicherlich klar zu befürworten, ob der Einsatz von Kontroversen jedoch ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel dafür ist, kann pauschal nicht so leicht beantwortet werden. Schließlich hängt ihre Eignung und Verhältnismäßigkeit ganz maßgeblich davon ab, welche kontroversen Themen im Unterricht auf welche Weise diskutiert werden. Um hier zu einem fruchtbaren Ergebnis zu gelangen, muss zunächst allerdings eine grundlegende Frage beantwortet werden – nämlich, was es überhaupt heißt, konstruktiv zu diskutieren. Dann können nämlich mögliche Funktionen von kontroversen Diskussionen identifiziert und darauf aufbauend sowohl einzelne Ziele, geeignete Themen als auch die jeweiligen Rahmenbedingungen in eine konkrete Beziehung gesetzt werden. So sind die allgemeinen Leitlinien für eine gelingende Praxis, wie Drerup sie formuliert, zwar ausgesprochen hilfreich, aber ob eine Praxis tatsächlich gelingt, kann ohne eine solche Verzahnung zwischen Zielen, Themen und Bedingungen in den meisten Fällen kaum hinreichend geklärt werden. Wenn wir die pädagogisch-didaktischen Ziele jedoch allgemein in der Förderung von individueller und politischer Autonomie und demokratischer Grundbildung sehen, dann müsste man, so die zentrale These des vorliegenden Beitrags, sehr viel mehr zur Qualität von Diskussionen und insbesondere zur Güte von Argumentationen sagen, um dann geeignete Themen und passende Rahmenbedingungen genauer zu bestimmen. Nichtsdestoweniger ist Drerups Band eine enorme Bereicherung für die Debatte.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 David Lanius https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/456 Flucht ins Unbefragbare? 2023-09-13T09:37:14+02:00 Laura Martena laura.martena@uni-goettingen.de <p>Die Debatte genießt in liberalen Demokratien einen hohen Stellenwert. Das gilt nicht nur für den öffentlichen Raum, sondern auch für den Schulunterricht, der Heranwachsende auf die Teilnahme an dieser Praxis vorbereiten soll. Wie kontrovers soll und darf es im Klassenzimmer selbst aber zugehen? Wie steht es etwa mit antidemokratischen oder illiberalen Positionen? Sollen auch sie kontrovers diskutiert werden, oder sollen die Lernenden hier vielmehr von vornherein zur Übernahme der als legitim vorausgesetzten Position gebracht werden? Wenn ja, auf welche Weise? Diese Fragen werden in der Bildungsphilosophie intensiv diskutiert. Der Beitrag befasst sich mit der sogenannten Kontroverse um Kontroversitätsgebote. Konkret widmet er sich Johannes Drerups Versuch, den Raum der Kontroverse im Klassenzimmer zu eröffnen und zugleich zu begrenzen. Zunächst wird betrachtet, wie er die Grenzen des Diskurses zieht und inwieweit er diese Grenzziehung überzeugend begründet. Dann werden die unterrichtspraktischen Konsequenzen, die er selbst daraus ableitet, und das Konzept eines „direktiven Unterrichtens“ im Kontext ethischer Debatten beleuchtet. Schließlich wird eine alternative Herangehensweise angedeutet: Statt zu versuchen, den Lernenden anhand kontroverser Themen top down einen fixen Wertekanon zu vermitteln, können Lehrpersonen solche Kontroversen auch zum Anlass nehmen, die Wertvorstellungen der Schüler:innen gemeinsam mit ihnen aufzudecken, zu explizieren und kritisch zu durchdenken. Eine solche Praxis dialogischer Wertebildung ist zwar für alle Beteiligten herausfordernder, scheint aber besser zur Idee der Demokratiebildung zu passen.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Laura Martena https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/455 Eine religionspädagogische Replik auf Johannes Drerups Studie „Kontroverse Themen im Unterricht“ 2023-09-13T09:30:11+02:00 Jan-Hendrik Herbst jan-hendrik.herbst@tu-dortmund.de <p>Im Beitrag wird Johannes Drerups pädagogischer Ansatz zum Umgang mit kontroversen Themen im schulischen Unterricht kritisch diskutiert. Aus einer religionspädagogischen Perspektive werden dabei vor allem Leerstellen problematisiert und nicht die Stärken von Drerups Konzeption fokussiert. Moniert werden vor diesem Hintergrund vorwiegend zwei Punkte: Drerups theoretischem Zugriff fehlt ein systematischer Ort für eine gesellschaftliche Kontextanalyse, da er eine gesellschaftstheoretische Modellierung und empirische Spezifizierung der sozialen Verhältnisse im Vagen belässt (1). Dies führt auch dazu, dass die Eigenlogik des Phänomens Religion nicht adäquat berücksichtigt wird. Vielmehr scheint Religion allein in der Perspektive der Extremismusprävention sichtbar zu werden. Darüber hinaus tendiert Drerups Ansatz dazu, den diskursiven Status quo zu verdoppeln und grundlegende Veränderungsperspektiven auszuschließen (2). Dies zeigt sich besonders an Drerups Kriterienkatalog für kontroverse Themen, etwa an der fehlenden Spezifität des politischen Kriteriums. Auch unterrichtspraktische Herausforderungen wie die Frage nach der Möglichkeit von politischen Aktionen werden ausgeklammert, obwohl sie im Zusammenhang mit dem Beutelsbacher Konsens selbst kontrovers in der Politikdidaktik und anderen Fachdidaktiken diskutiert werden.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Jan-Hendrik Herbst https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/454 Kontroversen über Kontroversen und kein Ende 2023-09-13T09:23:42+02:00 Johannes Drerup johannes.drerup@tu-dortmund.de <p>Der Beitrag diskutiert die unterschiedlichen Kritiken, die an meiner in „Kontroverse Themen im Unterricht. Konstruktiv streiten lernen“ vorgelegten Position vorgebracht wurden. Im Durchgang durch diese Kritiken werde ich jeweils meine eigene Position klären und aufzeigen, wo Konkretisierungs- und Revisionsbedarf besteht und wo nicht. Ich schließe mit drei Forschungsdesideraten, die Möglichkeiten der konstruktiven Fortführung und Weiterentwicklung der philosophischen und wissenschaftlichen Debatte über kontroverse Themen im Unterricht skizzieren.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Johannes Drerup https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/453 Einleitung: Zeit und das gute Leben 2023-09-13T09:03:25+02:00 Anne Clausen mark.schweda@uni-oldenburg.de Mark Schweda mark.schweda@uni-oldenburg.de <p>Der vorliegende Schwerpunkt beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Zeit und gutem Leben. Er verfolgt das Ziel, die systematische Auseinandersetzung mit den Themen, Problemen und Fragestellungen voranzubringen, die das Verhältnis zwischen den zeitlichen Strukturen der menschlichen Existenz auf der einen und den Bedingungen guten, sowohl subjektiv erfüllten als auch objektiv gelingenden Lebens auf der anderen Seite betreffen. Die verschiedenen Beiträge spannen ein breites Spektrum theoretischer Ansätze, thematischer Ausrichtungen und praktischer Bezüge auf. Es reicht von der philosophischen Erörterung grundlegender Fragen der zeitlichen Verfasstheit guten Lebens über die Auseinandersetzung mit psychopathologischen Phänomenen gestörter Zeiterfahrung bis hin zur sozialund erziehungswissenschaftlich angeregten ethischen Beschäftigung mit konkreten Lebensphasen und praktischen Anwendungsfeldern.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Anne Clausen, Mark Schweda https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/380 Drei Zeithorizonte des guten Lebens 2022-09-21T09:01:17+02:00 Tobias Vogel tobias.vogel@uni-wh.de <p>Dieser Aufsatz behandelt drei Zeithorizonte des guten Lebens, durch die die drei Zeitdimensionen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft lebensperspektivisch miteinander vermittelt werden. Erstens wird Lebenssinn von der Generationenfolge her begriffen. Zweitens wird der Prozess menschlicher Selbstverwirklichung im Fortschreiten durch den Zeitfluss der Lebensspanne untersucht. Drittens werden drei Arten von Glücksmomenten in der Gegenwart des Augenblicks verortet und in Bezug zu sinnorientierter Selbstverwirklichung gebracht. Es wird zudem erörtert, wie durch diese drei Zeithorizonte die Spannung zwischen aktiver Lebensführung und passiver Lebenswiderfahrnis aus der Perspektive eines selbstreflexiven Wesens verarbeitet wird und welchen Einfluss dadurch Schnelligkeit und Langsamkeit für ein gutes Leben haben.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Tobias Vogel https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/375 Das Glück des Zufalls 2022-08-30T18:26:57+02:00 Thomas Hilgers thilgers@uni-potsdam.de <p>In diesem Aufsatz präsentiere ich drei Argumente für die These, dass die Erscheinung bzw. die Erfahrung des Zufalls eine besondere Quelle von Glück sein kann. Genauer gesagt zeige ich (vor allem in einer Auseinandersetzung mit einigen zentralen Gedanken Heideggers), dass die Erfahrung des Zufalls ein Gefühl von Lebendigkeit, ein Gefühl des uns Entgegenkommens der Welt sowie ein Gefühl von Korrespondenz implizieren kann. In einem weiteren Schritt untersuche ich, inwiefern die im heutigen Informationszeitalter wirkmächtigen Zeitstrukturen dem Erscheinen von Zufällen opponieren. In diesem Kontext werfe ich einen Blick sowohl auf das Phänomen der Steuerung als auch auf die soziologische These, dass sich die Spätmoderne gerade durch eine Kontingenzsteigerung auszeichne. Abschließend diskutiere ich die zeitliche Manifestation sowie Vorbereitung des Zufalls, indem ich auf dessen Zusammenhang mit einem besonderen Gegenwartsmodus zu sprechen komme.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Thomas Hilgers https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/465 Zwischen Kohärenz und Inhalt – Narrativität als Sinngeber 2023-09-13T10:37:37+02:00 Lukas Kiemele pwltcop@gmx.de <p>Die aktuelle philosophische Debatte darüber, wie Sinn im konkreten menschlichen Leben gestiftet und durch was er getragen wird, stellt vielfältige Argumentationen für die Rolle von Narrativität bereit. Der Ausgangspunkt dieses Artikels liegt in der Frage nach einer Verteilung von Rollen in Sinnträger und Sinnstifter sowie nach dem Verhältnis zwischen dem Attribut ‚Sinnhaftigkeit‘ und dem Begriff ‚Leben‘. Die Bestimmung von Sinnträgern scheint deshalb trivial, weil die Verbindung von ‚Sinnhaftigkeit‘ und ‚Leben‘ bereits in der Frage nach einem Sinn im Leben stattfindet. Was demnach auf irgendeine Weise sinnvoll sein kann, ist das menschliche Leben – hierbei ist jedoch nicht eindeutig bestimmt, was unter ‚Leben‘ verstanden werden soll. In welcher Weise der Begriff des Lebens ein Träger des Attributs ‚Sinnhaftigkeit‘ sein kann, ist der Schwerpunkt dieses Artikels. Hierzu verfolge ich zum einen die Fragestellung, inwiefern das Leben als Ganzes oder einzelne Lebensabschnitte Sinnträger sein können, und zum zweiten, inwiefern narrative Strukturen dazu beitragen, Sinnhaftigkeit im Leben zu konstituieren. Ich argumentiere dafür, dass die Herstellung von Sinn im Leben eine narrative Struktur voraussetzt. Hierfür gebe ich zwei für die Whole-Life-Theorie sprechende Gründe: (i) Ein Verweis auf intrinsisch sinnstiftende Güter innerhalb von Lebensabschnitten kommt nicht ohne das erklärende Element der narrativen Struktur aus, wenn wir verstehen wollen, wie bestimmte Inhalte für eine Person in ihrem konkreten Leben sinnstiftend werden. Und (ii): Es gibt Formen des Sinns im Leben, die nicht auf die Inhalte isolierter Lebensabschnitte reduzierbar sind.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Lukas Kiemele https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/374 Ein gutes Leben muss keine Geschichte erzählen 2022-08-29T19:40:49+02:00 Anh Quan Nguyen aq.nguyen.91@gmail.com <p>Philosoph:innen versuchen zunehmend zu erklären, warum die Struktur unseres Lebens normativ bedeutsam ist. Eine beliebte Erklärung, die von Dorsey (2015), Rosati (2013), Glasgow (2013), Kauppinnen (2012) und Velleman (1991) vertreten wird, ist die Narrativitäts-These: Was der Struktur unseres Lebens normative Bedeutung verleiht, sind die narrativen Relationen zwischen Lebensabschnitten, die verschiedene Teile des Lebens einer Person zu etwas Sinnhaftem verbinden. Sie fügen einem Leben einen Wert hinzu, der nicht auf momentanes Wohlbefinden reduziert werden kann. Da die narrative Lebensstruktur normative Bedeutung hat, ist ein Leben mit narrativen Relationen wertvoller als ein Leben ohne diese Beziehungen, da es mehr Sinnhaftigkeit erlangt. Mit anderen Worten: Unter sonst gleichen Bedingungen sollten wir unser Leben als Geschichte leben. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass die Narrativitäts-These falsch ist. Weder ist ein Leben besser, wenn es eine Geschichte erzählt, noch müssen wir unser Leben als eine Geschichte leben. Ich zeige drei Fälle, in denen wir intuitiv nicht der Narrativitäts-These folgen sollten, und gebe anschließend eine systematische Erklärung, warum narrative Beziehungen zwischen Lebensabschnitten normativ nicht bedeutsam sind: Es ist rational, uns von unserer Vergangenheit abzukoppeln und vergangenen Ereignissen und Lebensabschnitten keine normative Bedeutung beizumessen. Ich schließe mit einer Diskussion über Verdrängung und narrative Fehlschlüsse über wichtige Teile unserer Vergangenheit und wie wir uns vor beidem schützen können.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Anh Quan Nguyen https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/371 Verlangsamung und Stillstand 2022-10-28T06:45:29+02:00 Eva Weber-Guskar eva.weber-guskar@rub.de <p>Zu den Symptomen medizinisch depressiver Menschen gehört manchmal eine veränderte Zeiterfahrung, die als quälend empfunden wird. Die Zeit verlangsamt sich bis hin zum Eindruck des Stillstandes der Zeit. Diese Psychopathologie der Zeit wird hier als extremes Beispiel für etwas angesehen, das es in schwächerer Form auch nicht-pathologisch gibt und das als solches auch ein Thema für philosophische Theorien des guten Lebens darstellt. Die Untersuchung der pathologischen Störungen dient als Negativfolie, um zu zeigen, wie im Fall gelingenden Lebens menschliches Zeitbewusstsein verfasst sein muss bzw. verfasst ist. Offenbar sind wir auf die Erfahrung einer fortlaufenden Zeit angewiesen. In diesem Aufsatz wird erörtert, welcher Art genau diese Erfahrung ist, auf welche verschiedenen Weisen sie gestört sein kann und inwiefern solche Störungen ein ethisches Problem sind, insofern sie die Lebensführung in grundsätzlicher Hinsicht beeinträchtigen. Dafür wird insbesondere zwischen einem basalen und einem personalen Zeitbewusstsein unterschieden und das Problem auf der zweiten Ebene verortet.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Eva Weber-Guskar https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/382 Die unintegrierbare Zeit 2022-11-05T11:33:24+01:00 Daniel Broschmann daniel.broschmann@med.uni-goettingen.de <p>Durch den Kontrast zu psychischen Erkrankungen zeigt sich die enge Verwobenheit zwischen Zeitlichkeit und gutem Leben. Im Gegensatz zur Depression und Schizophrenie ist die Posttraumatische Belastungsstörung bisher wenig unter einer zeitpsychopathologischen Perspektive untersucht worden. Tatsächlich kann diese aber mit ausgeprägten Störungen des Zeiterlebens einhergehen: Diese soll als unintegrierbare Zeitlichkeit beschrieben werden und lässt sich durch eine sich-aufdrängende, gegenwärtige Vergangenheit, eine unsichere Gegenwart und eine verkürzte Zukunftsperspektive charakterisieren.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Daniel Broschmann https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/378 Pädagogik(en) des guten Lebens im Zeichen der Zeit 2022-10-20T17:39:42+02:00 Nazime Öztürk nazime.oeztuerk@univie.ac.at Denis Francesconi denis.francesconi@univie.ac.at Evi Agostini evi.agostini@univie.ac.at <p>In diesem Beitrag wird dem Zeitbezug von pädagogischen Konzeptionen des guten Lebens – im Spannungsfeld von Individualität und Sozialität, Pädagogik und Politik, Bestimmtheit und Unbestimmtheit – exemplarisch anhand pädagogischer Programmatiken einerseits und philosophischer Referenzen andererseits nachgegangen. Diese pädagogischen Deutungen und damit die Pädagogisierung des ,guten‘ oder ,richtigen‘ Lebens werden in einer bildungsphilosophischen Sichtweise und unter Bezug auf ihre deutschsprachigen Vertreter*innen einer eingehenden Betrachtung unterzogen: So scheint die Pädagogik in Theorie und Praxis einerseits auf eine klare normative Zielperspektive im Sinne einer Vorstellung vom guten menschlichen Leben angewiesen zu sein, die auch für die Zukunft Geltung beanspruchen kann. Anderseits scheint die Offenheit der Zukunft, von der aus sich die Notwendigkeit einer Pädagogik allererst rechtfertigen lässt, in diesem Prozess bedacht und bewahrt werden zu müssen, um Heranwachsenden eine eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Welt in Relation zu anderen zu ermöglichen. Letzteres scheint nun aber gerade gegen eine Überformung pädagogischer Kerngedanken durch gegenwartsbezogene starre Vorstellungen eines guten Lebens zu sprechen. Mit dem Aufzeigen dieses Dilemmas und der Analyse verschiedener Lösungsansätze vor dem aktuellen Hintergrund der Ungewissheit gesellschaftlicher Transformationsprozesse möchte der Text einen allgemeinpädagogischen Beitrag zur philosophischen Diskussion um das (kollektiv) gute Leben leisten.</p> 2023-10-11T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Nazime Öztürk, Denis Francesconi, Evi Agostini https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/367 Das Alter bekämpfen oder akzeptieren? 2022-08-19T11:20:52+02:00 Nadine Mooren nadine.mooren@uni-muenster.de <p>Im Rahmen der philosophischen und außerphilosophischen Beschäftigung mit der Frage nach dem guten Leben im Alter trifft man in der Regel auf einen von zwei Vorschlägen, wie am besten mit den Folgen des eigenen Alters umzugehen sei. Entweder wird dazu geraten, die Folgen des Alters so lange wie möglich zu bekämpfen oder dazu, sie zu akzeptieren. Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, zu einem besseren Verständnis des guten Lebens im Alter beizutragen, indem diese beiden Vorschläge und die ihnen zugrundeliegenden Annahmen genauer untersucht werden. Im Anschluss an einige methodische Vorbemerkungen zu den grundlegenden Begriffen „Altern“ und „Alter“ in Abschnitt 1 soll gezeigt werden, dass beide Strategien plausible Aspekte ins Spiel bringen, die mit Blick auf die Frage nach dem guten Leben im Alter berücksichtigt werden sollten, sich aber auch mit Einwänden konfrontiert sehen (vgl. die Abschnitte 2 und 3). Im letzten Abschnitt soll dafür argumentiert werden, dass sich die bewahrenswerten Aspekte der beiden Strategien als komplementäre Bestandteile eines praktisch klugen Umgangs mit altersbedingten Veränderungen verstehen lassen (Abschnitt 4).</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Nadine Mooren https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/377 Die gesellschaftliche Notwendigkeit des selbstbestimmten Sterbens 2022-10-30T08:10:49+01:00 Laura Mohacsi laura.mohacsi@med.uni-goettingen.de Eva Hummers eva.hummers@med.uni-goettingen.de Evelyn Kleinert evelyn.kleinert@med.uni-goettingen.de <p>Mit dem medizinisch-technologischen Fortschritt wandeln sich auch der soziale und gesellschaftliche Umgang mit Sterben und Tod. Zum Wandel des Sterbens haben insbesondere die Bemühungen der Hospiz- und Palliativbewegung beigetragen. Diese konnte sich erfolgreich für die Beachtung der Bedürfnisse Sterbender einsetzen. Die erzielten Selbstbestimmungsrechte im Sterben sind fraglos eine wertvolle Errungenschaft, sowohl für die Personen am Lebensende und ihre Angehörigen als auch für die Gesamtgesellschaft. Mit dieser Errungenschaft haben sich jedoch auch Vorstellungen von einem guten Sterben entwickelt, die eine selbstbestimmte Ausgestaltung des Sterbeprozesses idealisieren. Nina Streeck zeigt in diesem Kontext, dass gerade die erfolgreiche Verbreitung der individualistischen Sterbeideale durch die Hospiz- und Palliativbewegung für die Entstehung sozialer Strukturen sorgte, die nun die Erwartung von außen an Sterbende herantragen können, auch im Sterben authentisch zu bleiben und den Sterbeprozess auf selbstbestimmte Art zu gestalten (Streeck 2020, 283). Im Anschluss an diese Erkenntnis von Streeck betrachtet der vorliegende Artikel die gesellschaftliche Funktion der modernen Sterbeideale. Um dabei eine gesellschaftstheoretische Perspektive zu wählen, die auch die individualistische Natur dieser Sterbeideale berücksichtigen kann, greift der Artikel auf die soziologische Systemtheorie zurück. Ziel ist es, eine gesellschaftstheoretische Perspektive mit in die ethische Debatte um die modernen Sterbeideale und deren Schwierigkeiten einzubringen, die die gesellschaftliche Funktion der Sterbeideale in den Fokus nimmt.</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Laura Mohacsi, Eva Hummers, Evelyn Kleinert https://praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/452 Editorial 2023-09-13T08:51:37+02:00 Gottfried Schweiger Gottfried.Schweiger@plus.ac.at <p>Liebe Leserinnen und Leser!</p> <p>Wir freuen uns, die erste Ausgabe 2023 der Zeitschrift für Praktische Philosophie vorlegen zu können. Neben drei Beiträgen in der offenen Sektion beinhaltet die aktuelle Ausgabe einen Schwerpunkt und ein ausführliches Buchsymposium. Anne Clausen und Mark Schweda haben einen Schwerpunkt zum Thema „Zeit und das gute Leben“ betreut, dessen Beiträge die Rolle von Zeit und Zeitlichkeit für die neuerdings wieder intensiviert geführte Debatte um ein gutes Leben thematisieren. Das Symposium, das von Jens Beljan und Nils Berkemeyer herausgegeben wird, widmet sich dem Buch „Demokratische Bildung und die Kontroverse über Kontroversitätsgebote“ von Johannes Drerup und greift damit eine aktuelle bildungsphilosophische und -politische Diskussion auf. Neben den Autorinnen und Autoren danken wir insbesondere den Gutachterinnen und Gutachtern, die sich die Mühe machen, die eingereichten Texte gründlich zu lesen und zu kommentieren, und auf diese Weise sicherstellen, dass die ZfPP ihren hohen Qualitätsansprüchen gerecht wird. Wir danken dem Open-Access-Publikationsfonds der Universität Salzburg für die finanzielle Unterstützung zur Herausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie.</p> <p>Die Herausgeber:innen</p> <p>Sarah Bianchi, Birgit Beck, Karoline Reinhardt Gottfried Schweiger &amp; Michael Zichy</p> 2023-09-13T00:00:00+02:00 Copyright (c) 2023 Gottfried Schweiger