Einleitung: Aufklärung, Willkürherrschaft und Toleranz nach Kant
Gestern, heute und morgen
Schlagworte:
Kant, Aufklärung, Nicht-Beherrschung, Willkürherrschaft, ToleranzKey words:
Kant, Enlightenment, Non-Domination, Arbitrary Rule, TolerationAbstract
Am 22. April 2024 war Immanuel Kants 300. Geburtstag. Sein Werk ist bis heute zentraler Bestandteil der Philosophie überhaupt und insbesondere auch der politischen Philosophie, der Rechtsphilosophie und der Sozialphilosophie. 2024 ist zudem das 240. Jubiläum von Kants wirkmächtigem Essay „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784). Aufklärung, so schreibt Kant darin, beinhaltet die Aufdeckung und Befreiung von der Macht politischer, sozialer und religiöser „Vormünder“[1], die die aufklärerischen Subjekte in ihrem moralischen Recht auf gleiche und freie Co-Autorschaft im „Reich der Zwecke“[2] einschränken. Kants Aufklärungsbegriff gehört auch heute zu einem der bedeutendsten Schlüsselbegriffe in der zeitgenössischen Philosophie, etwa in der Frage nach der dritten oder neuen Aufklärung (Hilary Putnam, Michael Hampe, Corine Pelluchon). Dass Kants Aufklärungsverständnis auch eine zentrale Rolle in der zeitgenössischen, zentral diskutierten, neorepublikanischen Debatte um Nicht-Beherrschung (Philip Pettit) spielen könnte, wird derzeit eher weniger gesehen, auch wenn Kant in dieser Debatte natürlich präsent ist (Rainer Forst, Dorothea Gädeke, Tamara Jugov, Peter Niesen, Arthur Ripstein, Laura Valentini). Der Schwerpunkt der Zeitschrift für Praktische Philosophie nimmt Kants Jubiläumsjahr nun zum Anlass, um Schlaglichter auf Kants kritisch konstruktives Verständnis von Aufklärung zu werfen, es kritisch zu hinterfragen und seine Relevanz für Gegenwart und Zukunft herauszuarbeiten. Die Einleitung unternimmt dies mit Hinblick auf das Verhältnis von Aufklärung, Willkürherrschaft und Toleranz.
[1] WA, 8, 35.
[2] G, 4, 433.
On April 22, 2024, we celebrated Kant’s 300th birthday. His work is of eminent importance until the present day in philosophy in general, and especially in political, legal and social philosophy, too. In 2024, we also celebrated the 240th year of the publication of Kant’s far-reaching essay “Answering the Question: What is Enlightenment?”. Enlightenment, Kant notes in this essay, means highlighting and liberating from the power of political, social and religious “guardians”3 that constrain the enlightened subjects in their moral right to be respected as the free and equal co-authors of the “realm of ends”4. Kant’s notion of enlightenment is still today regarded as one of the most powerful contributions also to contemporary philosophy, such as the question of the third or new enlightenment (Michael Hampe, Corine Pelluchon, Hilary Putnam). That Kant’s notion of enlightenment plays also a crucial role in the contemporary, neo-republican debates on non-domination (Philip Pettit), is so far less seen, even if, of course, Kant’s contribution to this neo-republican discourse is not controversial (Rainer Forst, Dorothea Gädeke, Tamara Jugov, Peter Niesen, Arthur Ripstein, Laura Valentini). The special issue of the Journal for Practical Philosophy takes these two anniversaries as the starting point to reflect on the important role of Kant’s critical constructive understanding of enlightenment for philosophy in general and especially for that of today and of tomorrow. The introduction shows this by emphasizing the relation between enlightenment, arbitrary rule and toleration.
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