Einleitung: Polyamorie
Schlagworte:
Polyamorie, Liebe, Sexualität, Nichtmonogamie, KonsensKey words:
Polyamory, Love, Sexuality, Non-Monogamy, ConsensusAbstract
Die Vorstellung, dass wir mehrere Menschen zugleich lieben können, wird in modernen, westlich geprägten Gesellschaften sowohl als fast trivialerweise wahr anerkannt, als auch als grundsätzlich verfehlt abgelehnt. Während beispielsweise kein Zweifel daran besteht, dass wir üblicherweise unsere Eltern und zeitgleich etwaige Geschwister sowie umgekehrt Eltern für gewöhnlich alle ihre Kinder lieben und wir zudem zumeist mehrere enge und tiefe Freundschaften pflegen, ist die gesellschaftlich vorherrschende Auffassung von romantischer Liebe weitgehend von der Idee geprägt, dass es sich ausschließlich um exklusive Zweierbeziehungen handeln könne. Darüber hinaus haftet allen von der romantischen exklusiven Paarbeziehung abweichenden Formen, Liebe in Beziehungskonstellationen zu leben, eine diese moralisch mindestens als implizit fragwürdig, wenn nicht sogar offen als verwerflich kennzeichnende Be- beziehungsweise Verurteilung an. Tatsächlich gibt es allerdings viele Alternativen zur Monogamie. Der vermutlich berühmtesten, der Polyamorie, widmet sich der vorliegende Schwerpunkt. Das Wort „Polyamorie“ ist ein griechisch-lateinischer Hybrid (griech. polýs, viel/mehrere; lat. amor, Liebe) und die Bezeichnung für das zeitgleiche und konsensuelle Eingehen mehrerer Liebesbeziehungen. „Polycule“ ist das englische Kunstwort für eine ganze Reihe deutscher Ausdrücke für polyamore Beziehungsmodelle wie etwa auch „konsensuell- nichtmonogames Beziehungsnetzwerk“, „Sorgegemeinschaft“, „Wahlfamilie“ oder „Polykül“. Polyamore Beziehungsmodelle sind demnach breit gefächert und können letztlich alle möglichen Beziehungskonstellationen zwischen Personen umfassen, die einander auf die eine oder andere liebende Weise nahestehen. Dieser Schwerpunkt wirft vereinzelt Schlaglichter der philosophischen und ethischen Reflexion auf einige der Fragen und Herausforderungen, die sich hinsichtlich ethischer Polyamorie stellen beziehungsweise die mit dieser Form der nichtmonogamen Beziehungspraxis und -haltung einhergehen. Unsere Autor*innen eröffnen Diskussionsräume über einige grundlegende Aspekte einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Polyamorie. Damit stecken wir mit diesem Schwerpunkt das große Feld der philosophischen und ethischen Analyse rund um die Polyamorie lediglich grob ab – eine systematische und umfassende philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Polyamorie muss an anderer Stelle erfolgen. Nichtsdestotrotz erleichtern wir mit diesem Schwerpunkt den Einstieg in die vielfältigen philosophischen und ethischen Fragen, die sich mit dem Phänomen der Polyamorie ergeben und bereiten den Grund für eine dezidierte und genaue Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, vor die wir uns mit ihr gestellt sehen.
The idea that we can love several people at the same time is both recognized as almost trivially true and rejected as fundamentally flawed in modern societies of the global North. For example, while there is no doubt that we usually love our parents and any siblings at the same time, and conversely parents usually love all their children, and we also usually have several close and deep friendships, the prevailing social view of romantic love is largely characterized by the idea that it can only be exclusive relationships between two people. In addition, all forms of living love in relationship constellations that deviate from the exclusive romantic couple relationship are at least implicitly questionable, if not openly condemned as morally reprehensible. In fact, however, there are many alternatives to monogamy. This special issue is dedicated to what is probably the most famous: Polyamory. The word “polyamory” is a Greek-Latin hybrid (Greek polýs, many/several; Latin amor, love) and the term for the simultaneous and consensual entering into several love relationships. “Polycule” is the English artificial word for a whole range of other expressions for polyamorous relationship models, such as “consensual-non-monogamous relationship network”, “care community”, or “family of choice”. Polyamorous relationship models are therefore broadly diversified and can ultimately encompass all possible relationship constellations between people who are close to each other in one way or another. This special issue highlights some of the philosophical and ethical reflections on some of the questions and challenges that arise with regard to ethical polyamory or that are associated with this form of non-monogamous relationship practice and attitude. Our authors open up spaces for discussion on some fundamental aspects of an examination of the phenomenon of polyamory. With this focus, we are only broadly outlining the large field of philosophical and ethical analysis surrounding polyamory – a systematic and comprehensive philosophical examination of the phenomenon of polyamory must take place elsewhere. Nonetheless, with this focus, we are making it easier to get to grips with the many philosophical and ethical questions that arise in connection with the phenomenon of polyamory and preparing the ground for a dedicated and precise examination of the challenges we face with it.
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