Was sind die Kriterien für die Kontroversitätskriterien? Fragen an die pädagogische Stabilität der Theoriearchitektur
Schlagworte:
deliberative Demokratietheorie, kontroverser Unterricht, Nicht-Hierarchizität, WirkungKey words:
deliberative theory of democracy, controversial teaching, non-hierarchy, impactAbstract
Zur Bestimmung des kontroversen Raumes in öffentlichen Bildungsarrangements schlägt Johannes Drerup in Auseinandersetzung mit einem verhaltensbezogenen, politischen und epistemischen Kriterium eine Kombination aus einem politischen und einem wissenschaftsbezogenen Kriterium vor. Kontrovers und im Ausgang offen sollen nur solche Kontroversen unterrichtet werden, in denen sich die widerstreitenden Positionen sowohl an den konstitutiven politischen Grundwerten und Demokratieprinzipien liberaler Demokratien als auch am Maßstab wissenschaftlicher Begründbarkeit ausrichten. An diesen Vorschlag werden zwei Anfragen gestellt. Die erste Anfrage richtet sich auf die Theoriearchitektur und problematisiert die maßgeblich aus einer (deliberativen) demokratietheoretischen Position erfolgende Ableitung von Kriterien für ein pädagogisches Handlungsfeld. Pädagogische Kriterien wie Lernen, Aneignung, Bildung scheinen kaum eine Rolle zu spielen. Es geht hier zunächst um die Frage, welche Relationierungen von demokratietheoretischen Überlegungen einerseits und pädagogischen Bezügen andererseits die Handlungsvorschläge zur Behandlung von Kontroversen in Schule und Unterricht strukturieren können. Die zweite Anfrage betont die Unsicherheit der Wirkungsannahmen. Wenn nicht klar ist, ob eine relativ offene Gestaltung der Kontroverse oder eine relativ rigide Grenzziehung Wirkung in Richtung der Entwicklung einer demokratischen Argumentation wahrscheinlicher werden lässt oder wenn diese Wirkung stark vom jeweiligen Kontext abhängt, scheint eine grundsätzliche Präferenz für das politische und wissenschaftsbezogene Kriterium fragwürdig zu werden.
To determine the space of controversy in public educational arrangements, Johannes Drerup proposes a combination of political and epistemic criteria. Public controversies should only be taught as politically controversial and open-ended in cases in which the conflicting positions are aligned both with the constitutive basic political values and democratic principles of liberal democracies and in which the respective positions live up to the standard of scientific justifiability. Two inquiries are made concerning this proposal. The first inquiry is directed at the theoretical architecture and problematizes the derivation of criteria for a field of pedagogical action, which is based primarily on a (deliberative) democratic theoretical position. Pedagogical criteria such as learning or education hardly seem to play a role. The first question here is which democratic theoretical considerations on the one hand and pedagogical references on the other hand can adequately structure the treatment of controversies in schools and lessons. The second inquiry emphasizes the uncertainty of the effects of such treatment. If it is not clear whether a relatively open design of the controversy or a relatively rigid drawing of boundaries makes effects in the direction of the development of a democratic argumentation more probable, or if this effect depends strongly on the respective context, a fundamental preference for the political and science-oriented criterion seems to become questionable.
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