Soll „Rasse“ aus dem Grundgesetz gestrichen werden?
Eine Untersuchung des Rassenbegriffs und seiner Ersetzungsmöglichkeiten
Schlagworte:
conceptual engineering, Philosophy des Rassenbegriffs, Soziale Fakten, Rassismus, RechtsphilosophieKey words:
conceptual engineering, Philosophy of Race, Social Facts, Racism, Philosophy of LawAbstract
Im deutschen Rechtssystem nimmt der Rassenbegriff eine wichtige, wenn auch umstrittene Position ein. Das Bedürfnis ihn zu streichen, ist nachvollziehbar, aber nicht selbstverständlich, denn nicht alle Gründe für die Streichung sind auch gute Gründe. Ein zentrales Problem des Ausdrucks „Rasse“ ist seine Ambiguität, sowohl als Vehikel für eine naturwissenschaftlich-biologische als auch für eine sozial-konstruktivistischen Kategorisierung von Individuen herzuhalten. Eine Entscheidung für die eine oder andere Interpretation ist simpliciter, weder sinnvoll noch zielführend. Sinnvoller ist es, sich bewusst zu machen, in welcher Funktion der Rassenbegriff gebraucht wird und wie diese Funktion rechtlich einzufrieden ist. Biologisch informierte Gründe zur Streichung von „Rasse“ haben das Problem, die Existenz menschlicher Rassen zwar falsifizieren zu können, doch damit gleichzeitig den semantischen Bezug nicht mehr passend abzubilden. Erschwerend kommt hinzu, dass biologische Kriterien für das Vorliegen menschlicher Rassen deren Existenz präsupponieren und so naturalistische bzw. essentialistische Tendenzen begrifflich legitimieren, auch wenn der Begriff selbst leer ist. Stattdessen müssen vielmehr biologisch determinierte Eigenschaften als relevant angesehen werden, die soziale Einordnungen ermöglichen: Hautfarbe bzw. Körperschema. Diese scheinen den entscheidenden Faktor der Begriffsentwicklung und seines Gebrauchs auszumachen, nach dem im rechtlichen Kontext gesucht wird. Nimmt man den Begriff ernst, wie er im Commonsense gebraucht wird, werden die Mechanismen offenbart, die „Rasse“ auf der semantisch-psychologischen und sozialen Ebene eine destruktive Bedeutung zukommen lassen, die gegen den weiteren Gebrauch von „Rasse“ sprechen. Gleichzeitig geht der Bezugsgegenstand nicht verloren, wie es bei der biologischen Interpretation der Fall ist. Dies macht es möglich, unabhängig von rassistischer Essentialisierung, das Merkmal hervorzuheben, das oberflächlich genug ist, um nicht essentialisierend sein zu können – die Oberfläche selbst.
In the German legal system, the concept of race occupies an important and controversial position. The desire to eliminate it is understandable but not inherently obvious, as not all reasons for deletion are valid. One central issue with the term “race” is its ambiguity, encompassing both scientific-biological and social-constructivist categorisations of individuals. Choosing one interpretation over the other is neither meaningful nor purposeful. Instead, it is more sensible to understand how the concept of race functions and how it can be legally addressed. Biological arguments for removing “race” may be able to falsify the existence of human races, but at the same time risk the loss of referentiality. To make matters worse, biological criteria for the existence of human races presuppose their existence, which conceptually legitimises naturalistic or essentialist tendencies, even if the term itself is empty. On the other hand, biologically determined characteristics that enable social classifications are relevant: Features such as skin color or body shape seem to be significant factors in the development and use of the term, especially within the legal context. Instead of just dismissing the term “race” entirely, it is important to examine how it is commonly understood, which reveals mechanisms that assign it a destructive meaning on semantic-psychological and social levels that oppose its broader use. Simultaneously, the reference to certain characteristics is not lost as it is with the biological interpretation. This allows for highlighting a feature that is superficial enough to avoid essentializing – the outward appearance itself. It is crucial to note that these reflections are not meant to provide comprehensive social remedies for combating racist discrimination but rather to expose it.
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