Intuition, intuitives Wissen und epistemische Ungerechtigkeit
Schlagworte:
Intuition, Intuitives Wissen, Experimentelle Philosophie, Gender-Lücke, Epistemische UngerechtigkeitKey words:
Intuition, intuitive knowledge, experimental philosophy, gender gap, epistemic injusticeAbstract
Dieser Aufsatz untersucht einige Zusammenhänge zwischen der Zuschreibung von Intuitionen und intuitivem Wissen einerseits und epistemischen Ungerechtigkeiten andererseits. Der Aufsatz gliedert sich in zwei Teile. Ausgangspunkt ist im ersten Teil Frickers Theorie der epistemischen Ungerechtigkeit. Ich zeige auf, dass dem Verweis auf die „weibliche Intuition“ eine Schlüsselrolle in der Etablierung der Konzepte der testimonialen und hermeneutischen Ungerechtigkeit zukommt, da in ihm systematische Vorurteile über gender-codierte Denkmuster und Verhaltensweisen kulminieren, die paradigmatisch für strukturelle epistemische Ungerechtigkeiten sind. Allerdings gilt es zu betonen, dass der Begriff der Intuition nicht nur im Sinne einer epistemischen Abwertung, sondern auch im Sinne einer Aufwertung höchst problematisch ist. Hierdurch wird eine Schwachstelle in Frickers Theorie deutlich, da diese durch die Annahme einer grundlegenden Asymmetrie zwischen Glaubwürdigkeitsdefiziten und -exzessen ihre Perspektive auf epistemische Ungerechtigkeiten zu weit einschränkt. Im zweiten Teil werde ich anhand zweier ausgewählter metaphilosophischer Debatten einige Verbindungen zwischen dem Intuitionsbegriff in der analytischen Philosophie und Fragen nach epistemischen Ungerechtigkeiten aufdecken. Hierbei werde ich in Bezug auf die Debatte um die sog. Expertise-Verteidigung dafür argumentieren, dass diese nicht auf epistemische Fragestellungen begrenzt werden kann, sondern auch auf eine ethische Dimension verweist. Mit Blick auf die Debatte um die Gender-Lücke in der akademischen Philosophie werde ich aufzeigen dass hier zwar epistemische und ethische Perspektiven zusammengeführt werden, dass bestimmte Argumentationsmuster aber so angelegt sind, dass sie sich implizit an eine problematische, dualistische Vorstellung von Intuition binden.
The paper explores some relations between ascriptions of intuitions and intuitive knowledge, on the one hand, and epistemic injustices, on the other hand. It is divided into two parts. Starting point of the first part is Fricker’s theory of epistemic injustice. I will argue that the reference to “female intuition” plays a key role in the concepts of testimonial and hermeneutical injustice in so far as such intuition can be described as a culmination of systematic prejudices which are paradigmatic for epistemic injustices. However, the notion of intuition is not only problematic when used in an epistemically negative sense, but also when used in a positive sense. This reveals a weak point in Fricker’s theory as she assumes a strong asymmetry between credibility deficits, on the one hand, and credibility excesses, on the other hand, which renders her theory too narrow. In the second part, by focusing on two selected metaphilosophical discussions, I will analyze some relations between the notion of intuition in analytic philosophy and questions about epistemic injustice. With regard to the so-called “expertise defense,” I will argue that the debate cannot be restricted to the epistemological realm, but refers to ethical questions as well. Utilizing the debate about the gender-gap in academic philosophy, I will claim that some patterns of argumentation are implicitly bound to a dualist view of intuition that should be avoided.
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