Klimaaktivismus als ziviler Ungehorsam

Autor:innen

  • Benjamin Kiesewetter

Schlagworte:

Ziviler Ungehorsam, Klimaaktivismus, Friday for Future, John Rawls, demokratische Autorität

Key words:

Civil disobedience, climate activism, Fridays for Future, John Rawls, democratic authority

Abstract

Politische Aktionen von Fridays for Future, Extinction Rebellion und anderen Klimaaktivist:innen gehen häufig bewusst mit der Übertretung gesetzlicher Regelungen – wie etwa der Schulpflicht oder der Straßenverkehrsordnung – einher und sind dafür auch in der Öffentlichkeit kritisiert worden. In diesem Aufsatz verteidige ich die Auffassung, dass die relevanten Gesetzesübertretungen eine Form moralisch gerechtfertigten zivilen Ungehorsams gegen die Klimapolitik darstellen. Ich zeige zuerst, dass die Aktionen auch nach strengen Kriterien unter den Begriff des zivilen Ungehorsams fallen. Danach argumentiere ich, dass sie plausible Rechtfertigungsbedingungen für zivilen Ungehorsam erfüllen, weil sie sich gegen gravierende und eindeutige Ungerechtigkeiten richten und legale Einflussmöglichkeiten über Jahrzehnte hinweg keine Abhilfe geschaffen haben. Schließlich weise ich den Einwand zurück, dass der zivile Ungehorsam gegen die Klimapolitik demokratische Grundprinzipien verletzt, weil er sich eigenmächtig über demokratisch erlassene Gesetze und Vereinbarungen hinweg setzt. Ich argumentiere zunächst, dass der Einwand in Bezug auf einen wichtigen Teil der Aktivist:innen schon deshalb fehlgeht, weil diese als Minderjährige von der demokratischen Partizipation ausgeschlossen sind. Darüber hinaus verteidige ich die Position, dass der Ungehorsam auch von wahlberechtigten Klimaaktivist:innen durch das Bestehen schwerwiegender demokratischer Defizite gerechtfertigt ist und zu deren Korrektur beitragen kann. Solche Defizite bestehen u. a. in der fehlenden Repräsentation der Interessen zukünftig und global vom Klimawandel betroffener Personen.

English version

Political actions by Fridays for Future, Extinction Rebellion, and other climate activists often involve violations of legal regulations – such as compulsory education requirements or traffic laws – and have been criticized for this in the public sphere. In this essay, I defend the view that these violations of the law constitute a form of morally justified civil disobedience against climate policies. I first show that these actions satisfy the criteria of civil disobedience even on relatively strict conceptions of civil disobedience. I then argue that they meet plausible justification conditions for civil disobedience because they are directed against serious and clear injustices, which legal means of influence have failed to remedy for decades. Finally, I reject the objection that civil disobedience against climate policy violates basic democratic principles because it claims authority to override democratically enacted agreements. When addressed to Fridays for Future activists, the objection misfires for the reason alone that these activists are largely minors that are excluded from democratic participation. Moreover, disobedience even by adult activists is justified by the existence of serious democratic deficits in our climate policies, especially since it can help to correct them. Such deficits include the lack of representation of the interests of people affected by climate change in the future and globally.

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Zitationsvorschlag

Kiesewetter, B. (2022). Klimaaktivismus als ziviler Ungehorsam. Zeitschrift für Praktische Philosophie, 9(1), 77–114. https://doi.org/10.22613/zfpp/9.1.3

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Aufsätze