Die Regierung der Anderen

Von der mediterranen Todeslandschaft des europäischen Grenzregimes

Autor:innen

  • Mareike Gebhardt Münster

Schlagworte:

Migration, affektive Ökonomie, Betrauerbarkeit, Ethnosexismus, Versicherheitlichung, Gouvernementalität

Key words:

Migration, affective economics, grievability, ethno-sexism, securitization, governmentality

Abstract

Zusammenfassung: Der Beitrag nimmt eine politiktheoretisch-dispositivanalytische Perspektive ein. Er zeigt auf, inwiefern im mediterranen Grenzraum Europas nicht nur Mechanismen wirksam werden, die Migrant*innen verandern, sondern sie töten. Die letale VerAnderung vollzieht sich im europäischen Grenzregime innerhalb eines militärisch-humanitären Komplexes, in dem über Vergeschlechtlichung und Rassifizierung Migrant*innen mit spezifischen Affekten verkoppelt und dadurch de-/humanisiert werden. Durch diese Regierung der Anderen sollen regressive Migrationspolitik und ein repressives Grenzregime plausibilisiert werden. Der Heterogenität des Grenzregimes Rechnung tragend diskutiert der Beitrag die diskursive Produktion des Anderen, dessen affektiv-performative Stabilisierung sowie die materiell-technologische Kultur der Grenze. Damit lehnt sich der Beitrag an die Arbeiten Foucaults zu Diskurs, Wahrheitsproduktion und Gouvernementalität an, fokussiert jedoch auf Theorien, die Foucaults Konzepte affekt- und geschlechtertheoretisch bzw. postkolonial reiterieren: Sara Ahmeds Konzept der affektiven Ökonomie, Judith Butlers Theorie der Betrauerbarkeit und Achille Mbembes Begriff der Vergrenzung. Dadurch werden die trauer- und nekropolitischen Aspekte des europäischen Grenzregimes nicht nur über politiktheoretische Perspektivierungen reflektiert, sondern durch einen rassismus- und geschlechterkritischen Blick ernst genommen.

English version

Abstract: From the perspectives of political theory and dispositive analysis, the paper discusses how processes of othering work through the Mediterranean border space to eventually murder the migrant other. The lethal othering done by the European militaristic- humanitarian complex is part of an affective de-/humanization conducted via gendered and racialized processes. The government of the others leads to, strengthens, and justifies regressive migration policies and a repressive border regime. To acknowledge the heterogeneity of Europe’s border regime, the paper focuses on three dimensions: the discursive production of the other, its affective-performative stabilization, and the material technologies that govern the border. In reference to Michel Foucault’s works on discourse, knowledge production, and governmentality, the paper focuses on recent Foucauldian reiterations: Sara Ahmed’s affective economies, Judith Butler’s theory of grievability, and Achille Mbembes’s concept of Vergrenzung (‘borderization’). Hence, the paper not only scrutinizes the European border regime’s necropolitics. Moreover, it argues for a thorough integration of feminist thought and postcolonial studies to the political theory of the border.

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Zitationsvorschlag

Gebhardt, M. (2022). Die Regierung der Anderen: Von der mediterranen Todeslandschaft des europäischen Grenzregimes. Zeitschrift für Praktische Philosophie, 8(1), 467–498. https://doi.org/10.22613/zfpp/8.1.19 (Original work published 1. Juli 2021)

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt: Politische Theorien der Grenze