Die Erinnerung des Leibes

Zur Relevanz und Funktion von Leibzeit bei Alzheimer-Demenz

Autor:innen

  • Julia Meer Graz

Schlagworte:

explizites Gedächtnis, implizites Gedächtnis, Alzheimer-Demenz, Leib, Leibzeit

Key words:

explicit memory, implicit memory, Alzheimer’s dementia, lived body, bodytime

Abstract

Der Beitrag bemüht sich um eine Neubewertung des als Hauptsymptom von Alzheimer-Demenz geltenden Gedächtnisverlustes. Dabei wird auf die in der phänomenologischen Forschung in unterschiedlichen begrifflichen Varianten thematisierte Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Gedächtnis rekurriert und gezeigt, dass im Verlauf von Alzheimer-Demenz das implizite Gedächtnis teilweise länger erhalten bleibt bzw. immer deutlicher hervortritt. Um dies zu belegen, wird in zwei Schritten argumentiert: Im ersten Teil des Papers werden drei Strukturmerkmale der leiblichen Zeit, die dem impliziten Gedächtnis zugrunde liegt, vorgeschlagen: das Absinken aus dem Bewusstsein und die Einverleibung, die höhere Dauerhaftigkeit sowie die Alinearität bzw., positiv formuliert, der transeunte Charakter. Darauf aufbauend wird argumentiert, dass diese präreflexive Leibzeit die Bewusstseinszeit fundiert. Im zweiten Teil des Papers werden die verschiedenen Formen des impliziten Gedächtnisses anhand der erarbeiteten Strukturmerkmale und der sechsteiligen Differenzierung nach Thomas Fuchs beschrieben, um darauf aufbauend eigenständig und mit Bezug auf Selbstzeugnisse von Betroffenen sowie medizinische und pflegerische Quellen deren Relevanz für Alzheimer-Demenz zu untersuchen. Damit soll eine systematische Bezugnahme auf Phänomene leiblicher Erinnerung im Verlauf von Alzheimer-Demenz ermöglicht werden.

English version

​This paper tries to re-evaluate one of the main symptoms of Alzheimer’s dementia, the loss of memory, by referring to the distinction between explicit and implicit memory which finds expression in phenomenological research in various conceptual ways. While persons suffering from Alzheimer’s dementia lose parts of their explicit memory already in early stages of the disease, their implicit memory remains intact much longer. The argument proceeds in two steps. In the first part of the paper, I focus on bodily time which is the basis for implicit memory. Three structural characteristics are proposed: an embodiment that means the descent out of consciousness, the higher persistence, and the a-linearity, or positively formulated the transeunt character. On this basis, I argue that the pre-reflective bodytime grounds conscious time. In the second part of the paper, I describe various manifestations of implicit memory according to the structural characteristics of bodytime and the differentiation into six forms introduced by Thomas Fuchs. Based on this and with reference to statements from persons concerned as well as reports from medical and nursing care, I explore their relevance for Alzheimer’s disease. Moreover, I provide a systematic description of the phenomena of bodily memory in the course of Alzheimer’s dementia.

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Zitationsvorschlag

Meer, J. (2018). Die Erinnerung des Leibes: Zur Relevanz und Funktion von Leibzeit bei Alzheimer-Demenz. Zeitschrift für Praktische Philosophie, 5(1), 207–230. https://doi.org/10.22613/zfpp/5.1.9

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt: Philosophie der Demenz