Was geht uns das Elend der Welt an?

Überlegungen zur Grenze zwischen Pflicht und Supererogation am Beispiel des Weltarmutsproblems

Autor:innen

  • Marie-Luise Raters Potsdam

Schlagworte:

Supererogation, Pflicht, Welthunger, Präferenzutilitarismus, moralische Überforderung

Key words:

Supererogation, duty, famine, preference utilitarianism, moral overtaxing

Abstract

Während im Oktober 2016 etwa 765.000.000 Menschen Hunger leiden, leben in anderen Teilen der Welt viele Menschen im Überfluss. Angesichts ähnlicher Verhältnisse hatte der Präferenzutilitarist Peter Singer schon 1972 eine individuelle Hilfspflicht für die Bessergestellten dieser Welt behauptet. Der Essay wird die alten Debatten zu dieser Pflicht nicht wieder aufgreifen. Er wird stattdessen davon ausgehen, dass es die individuelle Hilfspflicht gibt, um die weiterführenden Fragen zu stellen, ob diese Pflicht eine Grenze haben und wo diese Grenze ggfs. liegen sollte? Diese Fragen stellen sich, weil die individuelle Hilfspflicht angesichts der ungeheuren Ausmaße des Welthungerproblems ebenfalls ungeheure Ausmaße annehmen könnte. Das würde viele der Bessergestellten überfordern und unglücklich machen, was aus präferenzutilitaristischer Sicht ein Problem wäre. Insofern wurde hier schon früh die Möglichkeit einer Grenzziehung zwischen individueller Hilfspflicht und freiwilligem supererogativen Handeln jenseits der Pflicht im Bereich der Welthungerhilfe diskutiert. Ein erster Teil rekonstruiert die präferenzutilitaristischen Positionen von P. Singer und R.M. Hare. Im zweiten Teil wird ein alternativer Vorschlag zur Diskussion gestellt, der nicht zwei Arten von moralischen Akteuren, sondern zwei Arten von Supererogationen unterscheidet. Insgesamt soll der Essay am Beispiel des Welthungerproblems das interessante Anwendungspotential der moralphilosophischen Kategorie der ‚Supererogation’ aufzeigen.

English version

​In October 2016, about 765.000.000 human beings are suffering from hunger. At the same time, millions of people live in prosperity. In the face of a comparable situation, Peter Singer had claimed in 1972 an individual duty to help poor people in other parts of the world. This paper will not retell the old debates on this duty. It will assume that there actually is such an individual duty for the better-off. Instead the essay will discuss, wether this obligation has a limit, and where this limit should be. These questions arise because the individual duty to help the poor could be enormous. This could ask too much from the better-off and make them unhappy, which would be a problem for the preference-utilitarianistic position of Singer. My paper discusses in its first part the position of Singer and the alternative position of R.M. Hare. A second part defends the idea, that a theory of supererogation should not distinguish between two kinds of moral acteurs but between to kinds of supererogations. Using the example of the world-hunger-problem, the paper as a whole wants to show the potential of the moral-philosophical category of ‚supererogation’.

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Zitationsvorschlag

Raters, M.-L. (2017). Was geht uns das Elend der Welt an? Überlegungen zur Grenze zwischen Pflicht und Supererogation am Beispiel des Weltarmutsproblems. Zeitschrift für Praktische Philosophie, 4(2), 191–218. https://doi.org/10.22613/zfpp/4.2.9

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt: Jenseits der Pflicht? - Reflexionen zur Supererogation