Präferenzen, Wohlergehen und Rationalität – Zu den begrifflichen Grundlagen des libertären Paternalismus und ihren Konsequenzen für seine Legitimierbarkeit

Autor:innen

  • Andrea Klonschinski Regensburg
  • Joachim Wündisch Düsseldorf

Schlagworte:

Libertärer Paternalismus, Nudge, Verhaltensökonomie, bounded rationality, Präferenzen, Theoriegeschichte, Wohlergehen

Key words:

Libertarian Paternalism, Nudge, Behavioural Economics, Bounded Rationality, Preferences, History of Theory, Well-being

Abstract

Der libertäre Paternalismus (LP) genießt in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit eine große Popularität, die er insbesondere zwei Merkmalen verdankt: Erstens stützt sich der LP auf verhaltensökonomische Ergebnisse, die zeigen, dass individuelle Entscheidungen oft nicht der neoklassischen Rationalitätskonzeption entsprechen, sodass Individuen durch sogenanntes Nudging zu besseren, ihren wahren Präferenzen entsprechenden Entscheidungen verholfen werden könne. Zweites ist damit der Anspruch verbunden, das Wohlergehen der Individuen, wie sie selbst es verstehen, zu erhöhen. Dieser Beitrag zeigt anhand einer dogmengeschichtlichen Analyse der zentralen, dem LP zugrunde liegenden Begriffe Präferenz, Nutzen, Rationalität und Wohlergehen, dass der LP diesen Anspruch nicht einlösen kann. Eine detaillierte begriffliche Analyse ist deshalb geboten, weil diese Konzepte in der Ökonomik immer wieder für Missverständnisse sorgen. Eine theoriegeschichtlich informierte Untersuchung wiederum ist notwendig, da diese Konfusion insbesondere auf der Tatsache beruht, dass der Gehalt dieser Begriffe sich im Laufe der Zeit gravierend verändert hat und sich die verschiedenen Bedeutungen heute z. T. wechselseitig überlagern.

English version

The libertarian Paternalism (LP) enjoys great popularity in politics, science and public life, which is mainly due to two characteristics: Firstly, it is based on behavioural economic research insights, which show that individual decisions often do not follow the neoclassical conception of rationality. This means that individuals can be influenced by the so called “nudging” to make decisions which are more in line with their real preferences. Secondly, it is associated with the aspiration to increase what individuals see as their own well-being. This essay shows on the basis of a dogma-historical analysis of the central, underlying concepts of LP (i.e. preference, use, rationality and well-being), that LP cannot achieve this commitment. A detailed conceptual analysis is required as these concepts often cause misunderstandings in economics. An analysis based on historical and theoretical background is necessary because this confusion particularly stems from the fact that the meaning of those concepts has seriously changed over time so that different meanings overlap partially.

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Zitationsvorschlag

Klonschinski, A., & Wündisch, J. (2016). Präferenzen, Wohlergehen und Rationalität – Zu den begrifflichen Grundlagen des libertären Paternalismus und ihren Konsequenzen für seine Legitimierbarkeit. Zeitschrift für Praktische Philosophie, 3(1), 599–632. https://doi.org/10.22613/zfpp/3.1.17

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt: Libertärer Paternalismus. Entscheidungsarchitekturen in Theorie und Praxis