Die politische Quacksalberei des libertären Paternalismus

Autor:innen

  • Thomas Schramme Hamburg

Schlagworte:

Libertärer Paternalismus, Nudge, Verhaltensökonomie, Autonomie, Politik, Rechtfertigung

Key words:

Libertarian Paternalism, Nudge, Behavioural Economics, Autonomy, Politics, Justification

Abstract

Der libertäre Paternalismus befürwortet Eingriffe in die Entscheidungsfindung von Bürgern, ohne ihnen Optionen völlig nehmen zu wollen. Vielmehr soll die Lenkung des Willens durch Schubser (nudges) geschehen. Im folgenden Beitrag möchte ich zeigen, dass der libertäre Paternalismus auf tönernen Füßen steht. Ich bediene mich dabei des polemischen Bilds von Quacksalbern. Dieses Bild passt zu meinem argumentativen Vorgehen, da ich erstens zeigen will, dass der libertäre Paternalismus falsche Diagnosen über vermeintliche Krankheiten der Willensbildung stellt, und zweitens, dass er die falsche Therapie empfiehlt. Im ersten Teil des Artikels kritisiere ich die Diagnose des libertären Paternalismus, wonach Menschen in ihrer Entscheidungsfindung systematisch fehlschlagen. Die Auswirkungen der zugrundeliegenden psychologischen Forschung werden missinterpretiert und damit vielen menschlichen Entscheidungen eine Art Defekt zugeschrieben. Der zweite Teil des Beitrags hinterfragt die Therapie des libertären Paternalismus. Für entsprechende Interventionen in die Wahlarchitektonik muss Wissen erlangt werden über die Richtung, in welche die Menschen jeweils geschubst werden sollten. Die hier genannte epistemische Aufgabe kann mit den theoretischen Mitteln des libertären Paternalismus nicht gelöst werden.

English version

The Libertarian Paternalism is in favour of interfering in the decision making process of citizens, without wanting to take all their options away. Instead, the guiding of citizen’s will should rather happen in form of so called nudges. In the following article I want to show that the Libertarian Paternalism stands on feet of clay. Thereby I employ the polemic picture of charlatans. This picture fits my argumentative method, as I firstly want to show that Libertarian Paternalism misdiagnoses alleged problems of decision making; and secondly, that it recommends the wrong sort of therapy. In the first part of this article I criticise the Libertarian Paternalism diagnosis that people systematically fail in decision making processes. The consequences of the underlying psychological research findings were misinterpreted, which led to mislabelling many human decisions as sort of defective. The second part questions the therapy form of Libertarian Paternalism. It is necessary to first gain knowledge about the direction in which humans respectively want to be nudged, to be able to intervene appropriately in the decision making process. This epistemic problem cannot be solved by the theoretical means of Libertarian Paternalism.

Downloads

Zitationsvorschlag

Schramme, T. (2016). Die politische Quacksalberei des libertären Paternalismus. Zeitschrift für Praktische Philosophie, 3(1), 531–558. https://doi.org/10.22613/zfpp/3.1.15

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt: Libertärer Paternalismus. Entscheidungsarchitekturen in Theorie und Praxis