Reflexionen zu einer Ethik des vulnerablen Leibes
Schlagworte:
Vulnerabilität, Leiblichkeit, moralischer StatusKey words:
Vulnerability, Corporeality, Moral StatusAbstract
Traditionelle Personenbegriffe der abendländischen Philosophie rekurrieren oft auf rationale Fähigkeiten wie Vernunft- bzw. Moralfähigkeit oder reflexives Selbstbewusstsein als Grundlage von individuellem moralischem Status bzw. der korrelierenden moralischen Verpflichtung. Dem steht die Erfahrung besonderer moralischer Verpflichtungen etwa gegenüber Kindern, Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder Tieren entgegen, die durch ratiozentristische Engführungen aus dem Blick zu geraten drohen. Die gegenwärtigen Diskurse um die Begriffe der Vulnerabilität und Anerkennung sind deshalb eine wichtige Ergänzung, um einerseits die Selektivität klassischer moralphilosophischer Konzeptionen zu mindern, indem sie auf eine universal geteilte Bedürftigkeit statt auf Kompetenzen als Anker der Moralität hinweisen, sowie andererseits auch positive Fürsorgepflichten für angewiesene Wesen zu begründen. Allerdings bedarf diese Ergänzung, wie argumentiert wird, ihrerseits einer Erweiterung, weil sie erstens von der kontingenten Anerkennung der Vulnerabilität in einem jeweiligen Ethos abhängt, ohne selbst hinreichende normative Kriterien an die Hand zu geben, zweitens von geteilten, jedoch nicht singulären Ansprüchen und Bedürfnissen ausgeht und drittens den Motivationsgrund der Verpflichtung nicht klärt, weil sie von Allokationsstrukturen und nicht von konkreten Begegnungen ausgeht. Eine Korrektur von der Phänomenologie der Leiblichkeit her, deren Implikationen für moraltheoretische Fragestellungen in den folgenden Ausführungen skizziert werden, scheint daher angezeigt.
Traditional concepts of personhood of western philosophy often refer to rational capabilities such as the capacity for reason and morality, or reflexive self-awareness, as foundation for an individual moral status and the correlating moral obligations. This is opposed to the experience of having special moral obligations, for example towards children, people with special needs or non-human animals. All those groups are in danger of falling out of view due to the ratiocentric reductionism. Current discourse about the concepts of vulnerability and approval are therefore an important addition: On the one hand they can decrease the selectivity of classic moral philosophical conceptions by emphasising the universally shared need as anchor for morality, instead of using competences. On the other hand, in that way they can also justify positive obligations of care for beings in need. However, this addition needs a further addition for the following three reasons: Firstly, it depends on contingent acknowledgement of vulnerability in the given ethos, without itself having sufficient normative criteria. Secondly, it presumes shared, but not singular needs and demands. And, thirdly, it does not explain why one should be motivated to act on the obligation, because it presumes allocation structures instead of specific encounters. A revised phenomenology of the body, whose implications for moral theoretic questions are outlined in the following article, seems appropriate.
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