Call for Papers: Schwerpunkt: Philosophie und Antisemitismus
Philosophie und Antisemitismus
Einreichfrist: 31. Oktober 2025
Herausgeber:innen des Schwerpunkts:
Prof. Dr. Christian Thein (Universität Münster, Sozialphilosophie) / thein@uni-muenster.de
Dr. Alexandra Schauer (Institut für Sozialforschung Frankfurt, Soziologie) / A.Schauer@em.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Johannes Drerup (Freie Universität Amsterdam/Technische Universität Dortmund, Bildungsphilosophie) / johannes.drerup@tu-dortmund.de
Darstellung und Relevanz des Themas:
Seit den unterschiedlichsten Stellungnahmen und Positionierungen gerade von Philosoph:innen nach dem 7ten Oktober ist die Debatte über das Verhältnis der Philosophie zum Antisemitismus in seinen verschiedenen Ausprägungs- und Erscheinungsformen erneut aufgerollt worden. Hierbei rückt die Frage nach dem Verhältnis der Disziplin zu den verschiedenen Verständnissen und Definitionsversuchen von Antisemitismus, Antijudaismus und Antizionismus auf der einen und zum Judentum und dem Jüdisch-Sein auf der anderen Seite ins Zentrum akademischer und öffentlicher Kontroversen.
Ein Blick zurück ins 20. Jahrhundert zeigt, dass zwischen der Philosophie, dem Judentum und Problemstellungen des Antisemitismus und Antizionismus eine komplexe Beziehung besteht. So gehen die beiden maßgeblichen und bis in die Gegenwart in der Antisemitismusforschung frequentierten Theorien des Antisemitismus auf Max Horkheimer und Theodor W. Adorno (die ‚Elemente des Antisemitismus‘ in der ‚Dialektik der Aufklärung‘) und auf Jean-Paul Sartre (die ‚Reflexions sur la Question Juive‘) zurück. Philosophische Auseinandersetzungen mit Idee und Praxis des Zionismus, der Staatsgründung Israels und dem hierauf bezogenen linken und rechten Antizionismus finden sich bereits bei Hannah Arendt und Jean Améry, deren Schriften zur Thematik in der jüngeren Vergangenheit (wieder-)veröffentlicht worden sind. Die spezifischen Beziehungen zu jüdischen Perspektiven und zu Fragestellungen des Antisemitismus sind auch in der poststrukturalistischen Philosophie – unter anderem bei Jean-Francois Lyotard, Jacques Derrida, Gilles Deleuze sowie in jüngerer Zeit bei Judith Butler – zum Gegenstand von Forschungen im französisch- und englischsprachigen Raum geworden.
Zugleich kann eine bis in die Gegenwart reichende Vernachlässigung einer kritisch-reflexiven Thematisierung des Verhältnisses von Philosophie und Antisemitismus in den philosophischen Diskursen und Forschungen aufgezeigt werden. Während Themen und Fragestellungen aus postkolonialen und antirassistischen Kontexten in den vergangenen Jahren zunehmend auch aus philosophischem Blickwinkel auf- und bearbeitet worden sind, findet eine philosophische Auseinandersetzung mit Antisemitismus kaum oder nur peripher statt. Das betrifft auch die historischen und gegenwärtigen Verstrickungen der eigenen Disziplin in die antijüdische Ausgrenzungs- und Gewaltgeschichte. Zwar ist die Bedeutung jüdischen Denkens für die philosophische Denkentwicklung seit dem Mittelalter bekannt, sie bleibt aber analytisch unterbelichtet und systematisch unausgeschöpft.
Im Ausgang von den hierauf bezogenen Problemstellungen, Debatten und Diskussionen zielt der Schwerpunkt auf eine kritische Auseinandersetzung mit diesem vielperspektivischen Konnex von theoretischen Motivlagen und Reflexionsversuchen zum Thema Philosophie und Antisemitismus. Hierdurch soll ein Anstoß und Beitrag für die dezidiert philosophische Analyse von unterschiedlichen Varianten des Antisemitismus geleistet werden.
Den folgenden Themen und Fragestellungen kann hierbei nachgegangen werden:
- Philosophischen Theorien des Antisemitismus (mit interdisziplinären Bezügen)
- Verhältnis von theoriegeleiteter Reflexion und empirischer Erforschung von Antisemitismus
- Aktuelle Debatten über Antisemitismus und Antizionismus mit begrifflicher und normativer Relevanz für die philosophischen Teildisziplinen der Praktischen Philosophie
- Problematisierung der relativen Vernachlässigung der Thematik des Antisemitismus in der deutsch- und englischsprachigen Ethik sowie politischen Philosophie
- Einflüsse der jüdischen Ethik auf Motivlagen und Problemstellungen der Praktischen Philosophie
- Jüdische Perspektiven in prominenten Strömungen der Gegenwartsphilosophien (z.B. Kritische Theorie, Poststrukturalismus, etc.)
- Jüdische Philosophie und Antijudaismus im christlichen oder islamischen Kontext
- Antisemitismus/Antijudaismus in der neuzeitlichen Geschichte der Philosophie (z.B. Aufklärungsphilosophie, Kant, Fichte, Junghegelianismus, Heidegger)
Die Einreichungsfrist für die Beiträge ist der 31. Oktober 2025. Die Veröffentlichung des Schwerpunkts ist für Herbst 2026 geplant. Alle Beiträge durchlaufen den üblichen doppelt-blinden Begutachtungsprozess. Die Einreichung erfolgt über die Webseite der „Zeitschrift für Praktische Philosophie“, wo sich auch Informationen zu Umfang und Gestaltung der Manuskripte finden: https://www.praktische-philosophie.org.
Bei Rückfragen kontaktieren Sie die Schwerpunktherausgeber:innen.